053 - Der Gast aus dem Totenreich
Jemand kicherte.
Dorian wandte sich wieder dem Eingang zu und sah einen kleinen Burschen, der aufgeregt herumgestikulierte.
»Hierher, hierher!«, sagte er und kicherte wieder.
Der Dämonenkiller folgte ihm ins Foyer.
Der Bursche war ein Gnom, jedoch nicht so winzig wie der Puppenmann Donald Chapman. Die merkwürdige Gestalt war ungefähr einen Meter groß und äußerlich voll entwickelt; sie steckte groteskerweise in einem Frack.
Der Gnom grinste und hob die Arme. Dorian zog den Mantel aus und reichte ihn ihm.
»Danke«, sagte der Gnom. »Danke, danke.«
Eilfertig trippelte er davon und machte sich in irgendeinem Nebenzimmer zu schaffen.
Dorian kümmerte sich nicht weiter um ihn. Er durchquerte das Foyer der Villa und ging in den Salon.
Es war eine seltsame Gesellschaft, die sich da versammelt hatte, und mittendrin entdeckte er Caterina. Auf einer riesigen Tafel stand ein kaltes Büfett. Kerzenlicht schuf eine gedämpfte Atmosphäre. Mit einem Seitenblick stellte Dorian fest, dass der Riesenspiegel immer noch mit einem schwarzen Tuch verhangen war.
Etwa zwanzig Menschen befanden sich in dem Salon. Nicht alle davon trugen dunkle Kleidung wie der Fremde am Tor oder der Gnom. Der Dämonenkiller sah hagere, bleiche Männer in weißen oder beigefarbenen Smokings; sogar ein buckliger Typ mit dunkelrotem Anzug lief herum. Die Frauen trugen lange, längst aus der Mode geratene Abendkleider mit vielen Rüschen und spitzenbesetzten Dekolletés. Caterina war am jüngsten; alle anderen Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts waren mindestens vierzig. Die vielfach zu gewagten Ausschnitte wirkten unästhetisch, ja, unappetitlich.
Dann entdeckte Dorian die Frau vom Vorabend, diejenige, die sich so stark geschminkt hatte. Heute hatte sie weniger Make-up aufgetragen. Ihr Kleid war schwarz; es reichte bis auf den Boden, war aber ein anderes als das, das sie in der Nacht in der Teufelskapelle getragen hatte.
Dorian tauschte mit Caterina einen Blick aus. Sie lächelte ihm zu, aber so, dass es niemand bemerkte.
Der Gnom erschien. Er kicherte und stiefelte um die Tafel herum. Roter Wein stand in kunstvoll gearbeiteten Kristallkaraffen. Der Gnom packte eine davon und schenkte Kelche voll.
Die Frau, die Dorian bereits kennen gelernt hatte, machte eine gebieterische Geste. Das Gemurmel der Gäste verstummte. Der Gnom beeilte sich, die Kelche auszuteilen.
Die Frau hob ihr Glas. »Freunde! Ich heiße euch willkommen in unserem Heim. Trinken wir! Stoßen wir auf das Wohl des Maestros an, der in wenigen Minuten erscheinen und für uns spielen wird!«
Alle hoben die Weinkelche. Dorian auch. Er wusste nun, dass die Frau Laura Bertini war. Er sah ihr in die Augen, aber sie streifte ihn nur mit einem oberflächlichen Blick. Da war er endgültig sicher, dass sie sein Gesicht in der Nacht tatsächlich nicht gesehen hatte.
Jemand zupfte an seinem Hosenbein. Dorian blickte nach unten und sah den kichernden Gnom.
»Salute!«, sagte dieser und hob den viel zu großen Kelch. »Salute! Auf ein gutes Gelingen!«
Der Dämonenkiller prostete ihm zu. Der Gnom hatte faunhafte Züge. Man wurde nicht recht schlau aus ihm. Dorian kannte ihn ebenso wenig wie die übrigen Mitglieder dieses illustren Vereins.
»Gehen wir in den Saal!«, sagte Laura Bertini.
Dorian schaute über die Schulter zurück und machte den Mann mit Mantel und Hut aus, der soeben durch das Foyer in den Salon geschritten kam. Er hatte die Hände in den Taschen und machte keine Anstalten, abzulegen; und niemand forderte ihn dazu auf, auch der Gnom nicht.
Dorian wartete, bis der unheimliche Hutträger vorüber war, dann richtete er es so ein, dass er an Caterinas Seite geriet.
Sie wollte etwas sagen, doch er gab ihr durch eine Geste zu verstehen, dass es besser war, nicht zu sprechen.
Die Gesellschaft ging durch das Musikzimmer. Dorian stellte fest, dass sowohl der Stuhl als auch die Violine und der Bogen verschwunden waren, die er bei seinem ersten Besuch entdeckt hatte.
Laura Bertini ließ sie nicht im Musikzimmer Platz nehmen, sondern führte sie in den angrenzenden Raum. Es war ein kleiner Saal. Stühle waren in Reihen aufgestellt worden. Ganz am Ende gewahrte der Dämonenkiller eine Art Hocker; davor stand ein hölzernes Notenpult. Die Amati lag bereit. Sie ruhte samt dem Bogen auf einem flachen Tisch, der durch eine dunkelrote Samtdecke verziert wurde.
»Setzen wir uns!«, sagte Signora Bertini.
Dorian nahm für Caterina und sich die beiden Ecksitze in der
Weitere Kostenlose Bücher