053 - Der Gast aus dem Totenreich
hintergangen, hatte ihn nicht so wiederhergestellt, wie sie immer behauptet hatte. Nein, sie hatte es nicht zu seinem Wohl getan.
Er bewegte sich auf sie zu.
Dorian Hunter hörte das Singen und die Schreie und lief. Er wusste, dass sich die Entwicklung der Dinge der Eskalation näherte. Der Spiegel behinderte ihn, aber er wollte ihn auf keinen Fall zurücklassen.
Die winzigen Metallglieder der Kette hatte er im Labyrinth ausgestreut, die gnostische Gemme steckte nun in seiner Jackentasche.
Blaues und rotgelbes Licht wurde am Ende des Ganges sichtbar. Er hatte sein Ziel fast erreicht. Er lief so weit, dass er erkennen konnte, was sich dort vor ihm in der Teufelskirche abspielte. Damit die schwarzen Frauen ihn nicht entdecken konnten, kauerte er sich an die Wand, den Spiegel dicht neben sich. Er war bis auf die Haut durchnässt; die Kleidung klebte an seinem Körper. Erste Anzeichen der Erschöpfung machten sich bemerkbar. Die Ereignisse der vergangenen Stunden hatten an seiner Kondition gezehrt.
Aber der Dämonenkiller war bereit, den entscheidenden Kampf mit den Hexen und dem Untoten aufzunehmen. Er wartete nur noch auf den richtigen Augenblick für seinen Einsatz. Aufmerksam beobachtete er, was sich vor ihm ereignete.
Zuerst hatte er gedacht, Caterina und Antonia wären tot, aber dann hatte er ihre Augen gesehen und gewusst, dass sie nur in Trance schwebten. Der Untote lag zwischen ihnen auf der glänzenden Steinplatte. Da! Jetzt erhob er sich!
Dorian sah, dass die Hexen beunruhigt waren. Laura Bertini rief etwas, was er nicht verstehen konnte. Und dann erkannte er aus dem Verhalten des Untoten, was die Stunde geschlagen hatte. Er wandte sich nicht wie geplant den Mädchen zu, sondern den Hexen.
Der untote Maestro wusste jetzt, dass er nur noch ein Gebilde aus Knochen und verwesendem Fleisch war, wusste, was seine Frau ihm mit seiner Wiedererweckung angetan hatte. Dafür wollte er sich rächen. Eine Gemütswandlung, die Dorian zu seinen Gunsten ausnutzen musste.
Dorian packte den Spiegel und rannte los, in die Teufelskirche hinein.
»Haltet ihn auf!« Die Stimme der Bertini überschlug sich. »Schlagt ihn, und brennt ihm mit Fackeln das letzte Fleisch von den Knochen, sonst …«
Die Bertini verstummte, denn sie hatte den Dämonenkiller entdeckt. Sie stieß einen spitzen Warnlaut aus, aber die Reaktion der zwölf Hexen kam zu spät. Schon war Dorian heran und hielt den ovalen Spiegel aus der Villa hoch.
Der Untote sah sich darin und stieß einen verzweifelten Schrei aus. Nichts konnte ihn mehr erschüttern als sein eigener Anblick. Er heulte, schüttelte sich und hob drohend die Faust gegen den Spiegel. Sein einst schönes Antlitz war verwüstet. Auch die zweite Gesichtsmaske konnte das nicht mehr verheimlichen, denn sie war ja von der fortschreitenden Verwesung zersetzt worden.
Er schlug nach dem Spiegelbild.
Aber Dorian zog den Spiegel fort und hob ihn hoch. Er schleuderte ihn nach der wütenden Laura Bertini. Sie wich aus. Der Spiegel krachte neben ihr zu Boden, am Kopfende des Brautbettes; das Glas blieb heil.
Der Untote stapfte brummend auf seine Gemahlin zu.
»Ja«, schrie sie ihn an, »ja, ich will es dir nicht mehr verheimlichen, du Narr. Ich habe dich vom Tod zum Leben erwecken lassen und zu einem Scheusal gemacht, wen ich dich bestrafen wollte. Du hast es nicht anders verdient. Du hättest eher darüber nachdenken sollen, wie sehr du mich quältest, du Schürzenjäger.«
Sie hieb mit den Fäusten nach seiner Fratze.
Der Untote ließ es sich gefallen. Sie konnte ihm nicht wehtun. Mit zwei langen Schritten war er vor ihr, ergriff ihre Unterarme, zwang sie nieder und legte die Arme um sie.
»Nein!« Sie wimmerte. »So helft mir doch!«
Die Hexen wurden unsicher, wussten nicht mehr recht, wem sie sich zuerst zuwenden sollten – dem Dämonenkiller oder der bedrängten Laura Bertini. Einige liefen aufgelöst hin und her, zwei zerrten an dem klebrigen, nassen Gewand des Untoten, um ihn fortzuziehen. Sie kreischten und holten damit weitere Kameradinnen herbei. Drei wandten sich dem Dämonenkiller zu. Sie zeigten ihm die Krallen und fluchten bösartig.
Dorian riss die gnostische Gemme hoch. Der Edelstein funkelte. Er murmelte eine Beschwörungsformel und trat ihnen mutig entgegen.
»Tu es weg!«, riefen sie mit grellen Stimmen. »Du machst es nur noch schlimmer. Wir werden dich zerreißen.«
Er stieß die Hand mit der Gemme vor. Da heulten sie vor Wut und wichen ein Stück zurück. Sie
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