053 - Schrei, wenn dich der Hexentöter würgt
war. Einmal
stöhnte das junge Mädchen leise auf. Sie wandte ihm ihr bleiches, mit kaltem Schweiß
bedecktes Gesicht zu. Ihre durchscheinenden Augenlider öffneten sich zitternd. „Wo
bin ich?“ Ihre Stimme war wie ein Hauch. „In Sicherheit. Es ist alles in bester
Ordnung, Fräulein Foller.“ Larry Brent fiel es schwer, seiner Stimme einen
festen und sicheren Klang zu geben. Er taumelte mehr vorwärts, als er ging. Er
fühlte sich schwach, und der Blutverlust durch die Verletzung am Unterarm
machte sich bemerkbar. Der notdürftige Verband war blutgetränkt. Man hätte ihn
auswringen können. Der Weg bis zum Dorf wurde zu einer Qual. Am meisten
bedauerte es Larry, so wenig für die junge Deutsche tun zu können. Eine
Wolldecke hätte ihr schon Erleichterung verschafft. Aber so, fiebernd und
frierend, war sie in ihrem dünnen, fast durchsichtigen Nachtgewand schutzlos
Feuchtigkeit und Kälte ausgesetzt. X-RAY-3 glaubte, eine Ewigkeit müsse vergangen
sein, als er endlich die ersten flachen Häuser des Ortes zu sehen bekam. Er
setzte einen Fuß vor den anderen, mechanisch und rhythmisch wie ein Roboter.
Die kleine Ansiedlung lag völlig im Dunkeln und schien verlassen. Nicht mal die
Straßenlaternen brannten. Sie wurden abends um zehn ausgeschaltet. Um diese
frühe Morgenstunde – bis zum Sonnenaufgang waren es höchstens noch drei Stunden
– war noch niemand auf den Beinen. Auch das Polizeirevier hatte seine Pforten
noch geschlossen. Doch das gute Gedächtnis Larry Brents zahlte sich in diesem
Moment aus. Bei den Gesprächen am Nachmittag waren viele Namen und Anschriften
gefallen, und er hatte sich nicht eine einzige Notiz gemacht. In der
Hauptstraße, keine zwei Häuser vom Rathaus entfernt, lebte der Bürgermeister
des kleinen Ortes, der gleichzeitig auch Polizeichef war. X-RAY-3 klopfte an
die Tür und die Fensterläden, als er feststellen mußte, daß die Klingel nicht
funktionierte. Irgendwo im Haus wurde ein Geräusch hörbar. Dann ging das Licht
im oberen Stockwerk an. Eine silhouettengleiche Gestalt erschien hinter dem
hellerleuchteten Fenster. Der Vorhang wurde zurückgezogen. Der kräftige Kopf
des Bürgermeisters erschien im Fensterkreuz.
„ Was, zum Donnerwetter, soll der Krach? Machen Sie,
daß Sie nach Hause kommen, und schlafen Sie dort Ihren Rausch aus! “ Seine
Stimme klang böse. Das war ihm nicht übelzunehmen, denn er glaubte, es mit
einem Betrunkenen zu tun zu haben. „Öffnen Sie bitte! Ich bin es, Larry Brent.
Fräulein Foller befindet sich bei mir.“ „Mister Brent?“ fragte der
Bürgermeister erschrocken zurück. „Ich bin sofort unten.“ Zwei Minuten später
befand sich Larry im Innern des Hauses. Er legte Angelika Foller auf eine
breite Couch, während der in seiner Nachtruhe gestörte Mann eilig ein paar
Wolldecken besorgte, womit sie das frierende Mädchen wärmten. „Ich bitte
vielmals um Entschuldigung“, preßte der Bürgermeister hervor. „Ich hatte Sie
nicht gleich erkannt. Was ist eigentlich geschehen?“ Larry Brent ließ sich in
einen weichen Polstersessel fallen. Der Amerikaner war am Ende seiner Kraft.
„Sie werden alles erfahren. Aber ich möchte es nicht
zweimal erzählen müssen. Rufen Sie bitte das Revier in Filsum an! Kommissar
Wergh soll kommen! Und sorgen Sie dafür, daß auf dem schnellsten Weg ein Arzt
hierher kommt und nach Fräulein Foller sieht! Am besten der Chefarzt des
Krankenhauses, in dem das Mädchen untergebracht war. Sonst bitte niemand, das
hat seine Gründe.“
Es verging knapp eine halbe Stunde, ehe die
Herrschaften eintrafen. Larry Brent erhob sich müde. Der eingetroffene Arzt
wollte sich sofort um die schwere Stichwunde kümmern, aber Larry ließ es nicht
zu.
„Das Mädchen braucht die Hilfe dringender als ich,
Doktor.“ Der Arzt untersuchte Angelika Foller. Er machte eine besorgte Miene. „Ihr
Zustand hat sich verschlechtert. Der Vorfall heute abend hätte nicht passieren dürfen.“ „Aber es ist nun mal geschehen“, entgegnete
X-RAY-3 mit matter Stimme. „Wie sicher die Kranke in Ihrem Krankenhaus noch
ist, weiß in diesem Augenblick niemand von uns zu sagen. Das makabre Spiel
enthält mehrere Unbekannte. Nach der Flucht des Hexentöters kennt niemand von
uns seine nächsten Pläne und Ziele. Die Entführung Angelika Follers hat mich nachdenklich gestimmt, meine Herren“, fuhr der Mann
von der PSA fort, als der Chefarzt draußen im Flur war und ein Ferngespräch
führte. Er hielt es für richtig, wenn Angelika Foller auf
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