0530 - Der Magus von Zypern
Gedanken durch ihren Kopf geflossen, aber was hätte sie auch machen sollen?
Der Magus war noch in der gleichen Nacht zurückgekehrt und hatte sie noch einmal gefragt.
Einen Tag hatte Jane noch herausschinden können. Er hatte ihr auch ausgereicht, um den Brief an John Sinclair abzuschicken, ihre einzige Rückversicherung. Sie hatte dabei nicht zu viel verraten können, war sich aber sicher, daß John den Weg in dieses kleine Dorf finden würde, falls es nicht schon zu spät war.
Wieder hörte Jane die Schritte. Sie wären ihr kaum aufgefallen, wenn die Person ihren Weg nicht geändert hätte und nicht mehr um die Hütte herum, sondern sich ihr auf dem direkten Weg näherte.
Jane richtete sich auf. Ihr Blick war auf den Eingang gerichtet.
Sehr schwach sah sie noch den Feuerschein, in den eine Gestalt trat.
Es war der Magus!
Er bewegte sich gemessenen Schrittes. Auch er trug ein Gewand wie die anderen. Nur Jane machte da eine Ausnahme, sie war durch ihre Jeans und den Pullover modern gekleidet, aber sein Gewand stach trotzdem von den anderen ab.
Es besaß eine helle Farbe und war fast schon weiß. Trotz seiner Schlichtheit wirkte es sehr edel. Möglicherweise lag dies an dem besonderen Stoff, der so glatt und sicher fiel wie Seide.
Der Magus bückte sich ein wenig, als er die Hütte betrat, obwohl der Eingang für ihn hoch genug war.
Zwei Schritte vor Janes Lager blieb er stehen. Das Licht der Kerze erreichte auch sein Gesicht und zeichnete es ziemlich genau nach.
Der Magus besaß asketische Züge und war schon schlanker als schlank. Das Haar wellte sich wie heller Schaum und war kurz geschnitten. Es erinnerte Jane an die Abbildungen der griechischen Philosophen und Naturwissenschaftler, denen die Welt praktisch das frühe Wissen und das Denken verdankte.
Durch ein Kopfnicken grüßte er Jane Collins. »Ich hoffe, du hast dich an deine neue Umgebung gewöhnt!«
»Ein wenig.«
»Es wird sich ändern.« Er schaute gegen die Liege. »Darf ich mich zu dir setzen?«
Jane rückte ein Stück zur Seite. »Bitte, ich habe nichts dagegen. Ich freue mich sogar, mich mit dir unterhalten zu können.«
»Es ist auch wichtig.«
»Wieso?« fragte Jane und hob den Blick ihrer Augen. »Ist etwas passiert?«
»Nein, noch nicht, doch ich habe das Gefühl, daß es einfach nicht mehr lange dauern kann.«
»Du fürchtest dich, nicht wahr?«
Der Magus hob die Schultern, als er sich neben Jane niederließ.
»Vielleicht ist Furcht nicht der richtige Ausdruck. Ich würde es eher als eine wissende Beklemmung bezeichnen.«
»Als was – bitte?«
Er lächelte knapp. »Ich weiß, daß irgend etwas geschehen wird. Unser großer Gegner schläft nicht. Er ist unser Feind, daran solltest du immer denken.«
Jane Collins lachte leise. »Ich denke da eher an mein Schicksal, wenn du verstehst.«
»Ja, ich kann dir folgen.« Er sprach mit leiser Stimme, die jedoch einen Klang besaß, der andere förmlich zum Zuhören zwang. »Dein Schicksal ist schlimm, es kann jedoch untrüglich mit dem meines Feindes verbunden sein. Dieser Pascha Selim Kale ist sehr mächtig. Nicht einmal mir gelingt es, ihn in die ewige Verdammnis zu stoßen.«
»Weshalb nicht?«
»Weil ich zu gut bin!«
Das wollte Jane nicht glauben. Sie drückte ihren Körper zurück und hätte fast gelacht, ließ es jedoch bleiben, als sie das ernste Gesicht ihres Nebenmannes sah. »Zu gut?«
»So ist es.« Der Magus schaute starr gegen den Eingang. »Es gibt Menschen, die gewisse Gräben nicht überspringen können. Ich kann einfach niemanden töten. Ich bin dafür nicht geboren, und deshalb ist er mir über.«
»Was ist mit deinen Freunden?«
»Wenn sie es könnten, wären sie zu schwach.«
»Ich nicht?«
Der Magus drehte ihr sein Gesicht zu. »Dich habe ich auserwählt, weil du nicht zu schwach bist, Jane Collins. Du kannst es schaffen.«
»Dann traust du mir zu, daß ich ihn töte?«
»So ist es.«
Jane war schockiert. »Wie kann das sein? Hältst du mich etwa für eine Mörderin?«
»Nein, das nicht, aber du entstammst einer Dynastie, die noch heute zu den Dienern der Hölle zählt.«
»Moment, nicht so voreilig«, widersprach Jane. »Du hast recht, ich war einmal eine Hexe. Aber die Betonung liegt auf war. Ich bin nämlich keine mehr.«
»Das weiß ich auch. Nur schlummern in dir noch die alten Kräfte. Wenn du willst, kannst du sie lösen und dann gegen Selim Kale antreten.«
»So ist das also. Als Lohn bekomme ich dann für immer mein normales Gesicht
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