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0531 - Das Grauen von Zagreb

0531 - Das Grauen von Zagreb

Titel: 0531 - Das Grauen von Zagreb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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ihr…«
    Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter und mußte ihn auch zurückreißen, als er vorgehen wollte. Suko stellte sich ihm ebenfalls in den Weg. »Keine Provokation, Mr. Mitic«, flüsterte der Inspektor.
    Der Kollege nickte, legte den Kopf in den Nacken und starrte hoch zu der viereckigen Deckenleuchte. »Ja, ja!« stöhnte er, »ich werde mich zusammenreißen. Noch…«
    Ich ließ ihn los. Mein Blick war dabei zur Seite gerichtet, so daß ich die sechs jungen Leute anschauen konnte. Sie waren zwar unterschiedlich gekleidet, wirkten auf mich mit ihrer schwarzen Kleidung uniformiert.
    Schwarz waren die Kleider, schwarz die Mäntel der beiden Mädchen, und auch die jungen Männer steckten in schwarzer Kleidung.
    Einer trug eine Lederjacke, die anderen Stoff Jacken. Mich interessierten die Mädchen, denn ihre Gesichter zeigten eine dunkelgraue Schminke, die wie dünne Schatten auf ihren Wangen lag.
    Selbst die Fingernägel hatten sich die beiden schwarz lackiert, und es war auch klar, daß niemand mit blonden Haaren vor uns stand.
    Möglicherweise waren sie sogar alle schwarz gefärbt.
    Mitic hatte sich wieder gefangen. »Was wollt ihr?« fragte er zischelnd. »Weshalb seid ihr gekommen?«
    Ein Mädchen trat vor. Es war pummelig. Ihre Haare wirkten durch das eingeschmierte Gel wie lackiert. Unter den Augen begannen die dunklen Schminkschatten und endeten erst an den Mundwinkeln. »Wir wollten Abschied nehmen«, sagte sie.
    Ich verstand die Sprache nicht. Im nachhinein hatte Mitic uns das Gespräch übersetzt.
    »Abschied?«
    »Ja, von Maria!«
    Mitic schüttelte den Kopf. »Ihr sollt keinen Abschied von meiner Tochter nehmen. Ich will euch hier nicht sehen, habt ihr verstanden?« Er streckte den Arm aus und wies mit dem Finger auf die Gruppe. »Ihr habt doch mitgeholfen, Maria in den Tod zu treiben. Eure verdammte Bande, die sich die Finsteren nennt. Geht weg, verschwindet von hier. Geht mir aus den Augen. Laßt meine Tochter wenigstens im Tod in Ruhe. Laßt ihr die Totenruhe!« brüllte er und ging mit wuchtigen Schritten vor.
    Auch wir konnten ihn nicht mehr zurückhalten.
    Die Sprecherin blieb stehen. Irgendwie hochnäsig schaute sie den verzweifelten Mann an. »Wollen Sie mich schlagen oder töten? Bitte, tun Sie es!«
    Mitic blieb stehen. »Nein!« keuchte er, »ich werde mich nicht an euch vergreifen, ich nicht.«
    »Wir fürchten den Tod nicht.«
    »Das weiß ich.«
    »Und deine Tochter hat ihn auch nicht gefürchtet. Sie hat schon längst nicht mehr zu ihren Eltern gehört. Sie stand auf unserer Seite. Die große Sehnsucht nach dem Jenseits war über sie gekommen und hielt sie fest umfangen. Sie hat das Glück gefunden, sie…«
    »Raus!« flüsterte Mitic, um dann mit lauterer Stimme das Wort zu wiederholen. »Raus! Geht endlich raus! Ich will euch hier nicht sehen und auch nicht bei der Trauerfeier.«
    »Keine Sorge, wir haben genug gesehen.« Die Sprecherin schaute auch uns an, und in ihren Augen leuchtete das Mißtrauen. Wahrscheinlich wollte sie fragen, wer wir waren, sie traute sich nicht, aber sie mußte gespürt haben, daß Suko und ich nicht gerade auf ihrer Seite standen.
    Mitic sprang darauf an. »Daß sie tot ist?« keuchte er, »haben Sie das gesehen?«
    »Ja!«
    »Und wer von euch hat dafür gesorgt, daß sie umkam…«
    »Niemand. Sie wollte ins Jenseits sehen. Sie liebte den Tod, er war ihr nicht fremd, ein guter Freund…« Die Sprecherin lächelte noch einmal kalt und schaute wieder in unsere Richtung. Ihre Blicke schienen uns durchbohren zu wollen.
    Dann drehte sie sich um und ging. Die anderen folgten ihr schweigend. Die schwarzen Rosen wippten dabei in ihren Händen.
    Mitic schaute ihnen nach. Er hatte den rechten Arm erhoben und sah aus, als wollte er ihnen hinterherwinken.
    Ich sprach ihn an. Schwerfällig und wie unter einer Last stehend, drehte er sich um. Sein Arm senkte sich wieder. Unter dem Ärmel war die weiße Manschette hervorgerutscht. Er machte einen niedergeschlagenen, wenn nicht gebrochenen Eindruck.
    Mit schleppenden Schritten trat er vor und blieb neben dem Sarg stehen. Seine Blicke tasteten die Leiche ab. »Maria!« keuchte er.
    »Mein Kind. Du hast es nicht getan. Du hast keine Sehnsucht nach dem Tod gehabt. Nein, du nicht!« Er beugte sich tiefer, streckte die Arme aus und umfaßte mit beiden Händen die kalten Wangen der Toten, bevor er sie anhob und sein Gesicht gegen das ihre preßte.
    Dann weinte er wieder.
    Auch in meiner Kehle saß ein Kloß. Wir bekamen

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