0531 - Das Grauen von Zagreb
– die Finsteren!
***
Sie nahmen uns sogar das Licht, und wir hatten das Gefühl, als würden ihre Schatten wie leichte Vorhänge auf uns niederfallen.
Ihre Gesichter glichen starren Zeichnungen, die einen dunklen Hauch von Tusche bekommen hatten.
Die Augen wirkten leb- und auch gnadenlos. Sie starrten in die Tiefe. Ihre bösartigen Blicke tasteten uns ab, und die Lippen verzogen sich bei ihnen zu nach unten gekrümmten Halbmonden.
»Was soll das?« rief ich ihnen entgegen.
Sie gaben keine Antwort. Statt dessen bewegten sie sich so, daß wir ihre Arme sehen konnten.
Ein jeder von ihnen umklammerte mit der rechten Hand den Stiel einer Schaufel.
Plötzlich bewegten sie sich. Bevor wir uns versahen, hatten sie die Schaufeln in den Lehmhaufen gestoßen und schleuderten Dreck auf uns nieder.
Wir wurden überrascht, bekamen die ersten Ladungen mit. Der Lehm klatschte naß und schwer auf unsere Körper. Beide duckten wir uns, fluchten und hörten ihre wütenden, fast kreischenden Stimmen.
»Ihr habt es entweiht! Ihr habt es entweiht! Ihr habt es entweiht!«
Und immer wieder sprachen sie die Worte. Voller Haß, Wut und Zorn. Dabei stießen sie die Schaufel in den Lehmhaufen und schleuderten den Dreck auf uns nieder, als wollten sie uns bei lebendigem Leibe begraben.
Ich sprang mit einem Satz zurück, bis ich mit dem Rücken gegen die Grabwand prallte. Dadurch entwischte ich einer schweren Ladung, die dicht vor mir nach unten regnete und noch auf meine Schuhspitzen klatschte.
Suko stand mir schräg gegenüber. Auch ihn hatte es erwischt. Der nasse Lehm klebte an seiner Kleidung und hatte sich auch in den Haaren festgesetzt.
Die sechs Finsteren befanden sich in der Überzahl und hatten sich strategisch so günstig verteilt, daß sie uns immer erwischen konnten, wenn sie das Zeug schleuderten.
Drei von ihnen befanden sich jedesmal in Bewegung, während die anderen Nachschub holten.
Auch die Mädchen machten da keine Ausnahme. Sie waren sogar am schlimmsten, was wir ihrem wilden Kreischen entnehmen konnten. Wie riesige Gespenster wirkten sie auf uns, wenn sie ihre Arme bewegten, um den Lehm von den Schaufeln in die Tiefe zu schleudern.
Natürlich zogen wir die Köpfe ein. Suko versuchte es plötzlich. Er sprang hoch, streckte sich und bekam auch mit beiden Händen die Grabkante zu fassen.
Mit einem Klimmzug wollte er hochkommen.
Das sah die Sprecherin. Sie nahm die Schaufel und wollte damit Suko auf die Finger schlagen. Damit hätte sie ihm die Hand in zwei Hälften teilen können.
Meine Warnung erreichte den Inspektor nur halb, denn eine Ladung fegte mich zur Seite.
Ich fiel auf die Knie, schüttelte den Kopf, bekam zum Glück die Augen frei und hörte Suko in meiner Nähe fluchen.
»Das war gerade noch rechtzeitig. Fast hätten mich die Typen erwischt.«
Ich gab keine Antwort, denn ich hatte mich geduckt und meine Beretta gezogen.
Es gab keine andere Chance mehr.
Ich schnellte hoch und schoß.
Natürlich zielte ich nicht auf einen der sechs Körper, ich jagte das Silbergeschoß in den wolkengrauen Himmel, aber die Warnung hatte gereicht. Plötzlich spritzten die sechs jungen Menschen auseinander. Wir sahen noch, wie die Schaufeln zu Boden kippten, dann hörten wir hastige Schritte, im nächsten Moment waren unsere Peiniger verschwunden.
»Das war gut, John«, sagte Suko. Er stand vor mir und schlug mit beiden Händen gegen seine verschmutzte und lehmverschmierte Kleidung, um wenigstens einen Teil des Zeugs abzubekommen, was ihm aber kaum gelang, denn der feuchte Dreck hatte lange Klebespuren hinterlassen.
Ich grinste. »Weißt du, wie du aussiehst?«
»Ja, so ähnlich wie du.«
»Genau.« Ich deutete nach oben. »Viel Lust, hier noch länger hocken zu bleiben, habe ich nicht. Los, laß uns rausklettern! Ich mag keine Gräber. Auch dann nicht, wenn sie leer sind.«
»Frag mich mal.«
Es bereitete uns keine Schwierigkeiten, aus dem Grab zu klettern.
Es war auch niemand zu sehen, der uns hätte eine Schaufel auf die Hände rammen wollen.
»Die werden nervös«, sagte Suko. »Sie müssen irgendwie gespürt haben, daß wir nicht gerade zu ihren Freunden zählen.«
Ich schaute auf meine verklebten Hosenbeine. »Ja, aber wie?«
»Keine Ahnung. Vielleicht, weil du ein Kreuz bei dir trägst. Sensible Personen spüren so etwas.«
»Das wäre möglich«, gab ich zu.
»Andererseits bewegen sie sich auf einem Gelände, wo mehr Kreuze zu sehen sind, als ihnen lieb sein kann.«
»Einige haben die Typen
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