0531 - Das Grauen von Zagreb
spät.
Die vier Kerle, von denen zwei auf dem Sarg hockten, grinsten mich kalt an und hatten ihre Hände zu Fäusten geballt, die sie drohend gegen mich erhoben.
Der Lkw nahm Tempo auf.
Bei mir trat das Gegenteil ein. Ich wurde langsamer und ärgerte mich, daß mir kein Wagen zur Verfügung stand. Zu Fuß konnte ich die Verfolgung nicht aufnehmen.
Ich verfiel ins Schrittempo, sah noch, daß die Kerle während der Fahrt die Heckplane schlossen, und der Fahrer drückte noch einmal auf das Gaspedal.
Ich blieb stehen, beugte mich nach vorn, keuchte, hustete und holte dabei immer wieder Luft. Es war nichts zu machen. Diese Burschen hatten mich geleimt.
Mit ziemlich wackligen Knien ging ich zurück. Diese Rennerei hatte leider nichts gebracht. Allmählich wurde ich mehr als sauer auf die Finsteren. Wenn sie mir noch einmal gegenüberstanden, sollten sie mich von einer anderen Seite kennenlernen.
Vor der Trauerhalle standen die Menschen noch immer. Sie waren aufgeregt. Besonders tat sich der Pfarrer hervor. Er schimpfte und verschluckte sich dabei. Er war ein älterer Mann, so etwas war ihm noch nicht vorgekommen.
Nach Suko hielt ich vergeblich Ausschau. Dafür kümmerte ich mich um den Vater der Toten.
Michael Mitic stand bei seiner Frau, einer kleinen Person, ganz in Schwarz gekleidet, die ihren Kopf gegen die Schulter ihres Gatten gedrückt hatte. Vor dem Gesicht trug sie einen Schleier. Die Frau weinte. Ich sah, wie ihr Rücken zuckte.
Mitic schaute mich an.
Ich konnte nur die Schultern heben. »Hätte ich einen Wagen gehabt, wäre es mir gelungen, die Kerle zu kriegen. Sie sind mit einem kleinen Lastwagen geflüchtet.«
»Und der Sarg?«
»Den nahmen sie mit.«
Mitic starrte mich an. Seine Lippen zuckten. »Mein Gott!« keuchte er, »können die denn nicht einmal eine Tote in Ruhe lassen? Was sind das für Menschen, frage ich Sie, Sinclair? Was sind das nur für Menschen?«
»Besessene. Junge Leute, die den falschen Weg eingeschlagen haben. Sie wollen den Tod und wissen nicht, wie kostbar das Leben ist, das man ihnen geschenkt hat.«
»Warum haben sie Maria mitgenommen? Warum?«
Die Verzweiflung stand dem Vater im Gesicht geschrieben. Auch ich suchte nach einer Antwort auf die Frage, und ich glaubte, auch eine zu wissen. »Denken Sie an den Brief, Mr. Mitic. Maria hat Ihnen und Ihrer Frau den Abschiedsbrief hinterlassen.«
»Ja, ja und weiter?«
»Hat Maria nicht darin ihren Wunsch ausgesprochen, wie sie beerdigt werden will? In ihrer schwarzen Kleidung, in einem schwarzen Sarg…«
»Na und?«
»Sie haben es nicht getan. Es war aber für Maria wichtig und auch für die anderen Mitglieder der Sekte. Um dieses Vermächtnis zu erfüllen, hat man Ihre Tochter entführt. Ich gehe davon aus, daß sie nach dem geforderten Ritual begraben werden soll, und zwar auf einem Friedhof und einer Grabstätte, die den Finsteren genehm ist.«
Mitic hatte aufmerksam zugehört, ebenso andere Trauergäste. Sie hatten nichts verstanden, es sei denn, sie sprachen Englisch, aber der Polizeichef nickte.
»Ja«, hauchte er. »Ja, Sie haben recht. Das muß es gewesen sein. Nur das, Sinclair.«
Frau Mitic bewegte sich. Der Schleier klebte auf ihrem Gesicht. Ich sah die geschwollenen Augen und auch die vom langen Weinen geröteten Wangen. Sie flüsterte ihrem Mann etwas zu. Ich fragte, was sie gesagt hatte.
»Sie will weg. Sie kann nicht mehr hierbleiben.«
»Das ist verständlich.«
»Ich muß sie nach Hause bringen.«
»Machen Sie das. Und Sie haben nicht gesehen, wo mein Freund Suko hingelaufen ist?«
»Das ist schwer. Ich glaube, er hat einen dieser Kerle verfolgt. Die anderen konnten entwischen.«
»Wenn er schlauer war als ich, hat er ihn bestimmt bekommen. Kennen Sie noch die Richtung?«
Mitic deutete rechts an der Leichenhalle vorbei.
»Danke.« Ich ging los.
In die Szene der Trauergäste war Bewegung geraten. Die meisten wollten gehen, trauten sich aber nicht zu den leidenden Eltern hin.
Verloren lagen einige Kränze neben dem Leichenwagen. Auch Blumen bedeckten den Boden.
Der Pfarrer machte den Anfang. Ich bekam mit, wie er auf die Mitic zuging, um ihnen sein Beileid auszusprechen und sie gleichzeitig zu trösten.
Mich interessierte Suko. Die Trauergemeinde blieb zurück. An der Schmalseite der Leichenhalle ging ich entlang. Dort stand der Türschließer und paffte eine Zigarre.
Als er mich sah, grinste er, fragte auch etwas, ich hob nur die Schultern.
Jenseits der Halle waren es nur wenige Meter
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