0532 - Der Blutschwur
Friedhof konzentriert. Er hob seine Schultern. Ich kannte ihn lange genug. Sein Gesicht hatte einen starren Ausdruck angenommen. Sofort fragte ich: »Ärger?«
»Sie sind da.«
Ich lachte leise. »Damit haben wir ja gerechnet.«
»Moment, ich habe noch etwas entdeckt, das dir entgangen ist.«
Er faßte mich an. »Komm mit.« Suko zog mich über die Torschwelle, so daß wir beide auf dem alten Friedhof standen.
Auch jetzt sah ich nichts, hob nur die Schultern und fragte leise:
»Na und?«
»Schau nach rechts auf den Boden. Dann sag mir, was du dort siehst. John, das ist kein Spaß.«
»Okay, Kumpel.«
Es wäre besser gewesen, mit der Lampe zu leuchten. Die ließ ich allerdings stecken, ich wollte nicht unbedingt auffallen. Mitic stand noch außerhalb des Geländes. Er wirkte wie ein Mann, der sich nicht so recht traute und Angst vor der eigenen Courage hatte. Nervös zwinkerte er mit den Augen und preßte auch seine Fingerkuppen gegen den Kopf. Ein Zeichen, daß es ihm noch nicht gutging.
Dann sah ich die Rose.
Schwarz, unheimlich wirkte sie. Sie lag auf dem Boden und hob sich kaum von dem Untergrund ab. Ich mußte schon sehr genau hinschauen, um sie erkennen zu können.
»Hast du sie gemeint?« fragte ich Suko.
»Ja.«
»Was ist daran so ungewöhnlich, außer ihrer Farbe.«
»Von ihr geht etwas aus, John, das spüre ich. Schau sie dir genauer an.«
Ich bückte mich um die ungewöhnliche Blume aus der Nähe zu betrachten. Jetzt entdeckte auch ich den feinen Schleier, der sich um die Rose herumgelegt hatte, als wäre er ein blasses Tuch.
Weshalb hüllte der Nebel sie ein?
Ich streckte meinen Arm aus, um sie anzuheben. Suko hatte recht gehabt. Irgend etwas stimmte nicht mit ihr, das spürte auch ich.
Kaum hatten meine Fingerkuppen den Stiel zwischen zwei Dornen berührt, als es geschah.
Plötzlich wurde sie heiß, schon glühend, aber ich schaffte es nicht, die Rose loszulassen. Ich hielt sie in der Hand, starrte sie an und sah, daß sie zu einer Flamme wurde.
Sie brannte in meiner Hand, vergrößerte sich, und aus ihr löste sich eine schreckliche Gestalt.
»Laß sie fallen, John!« schrie Suko hinter mir.
Das schaffte ich nicht mehr. Ich hörte auch Michael Mitic schreien, dann schien der gesamte Friedhof zu explodieren. An mehreren Stellen fauchte es auf. Ein unheimlicher Sturm wehte über das Gelände. Vom Himmel zuckte fahles Licht der Erde entgegen. Blitzartig und trotzdem eingehüllt wie eine Wolke.
Ich stand noch immer da und hielt die Rose fest, die keine mehr war. Ihr Blütenkelch öffnete sich, als wäre er von unsichtbaren Händen auseinandergerissen worden.
Hervor stieg eine unheimliche Gestalt.
Ein langes Wesen mit einem schrecklichen Gesicht, das aus fauligem Fleisch bestand. Bleiche Knochen schauten hervor. Augen waren aus den Höhlen gequollen, sie hingen nach unten und sahen so aus, als wollten sie an den Wangen entlangrinnen, wurden jedoch von langen Fäden gehalten.
Aus der Rose war eine Gestalt des Schreckens geworden. Durch meinen Kopf blitzten die Gedanken und Vermutungen. Plötzlich hatte ich eine Idee. Mir fiel ein, daß es sechs Rosen waren, und es gab auch sechs böse Geister. Hatten sie in den Blumen gesteckt?
Mein Blick glitt über den Friedhof. Er war nicht mehr dunkel.
Noch immer schoß aus den Wolken das fahle Licht in wahren Kaskaden. Sie umspielten Grabsteine und Büsche. Tote Gegenstände.
Zwischen ihnen tanzten die Gestalten. Schwarz gekleidet, unheimlich anzusehen, mit bleichen Gesichtern, deren Haut aschig wirkte.
Sie standen da wie Puppen, waren ebenfalls überrascht worden und wußten nicht, was sie machen sollten.
Ich war keinen Schritt gegangen, dafür schaute ich mich um und sah die anderen fünf Geister.
Sie schwebten wie Nebelstreifen über dem alten Totenacker und schienen mit ihren Enden am Boden zu sein. Ich sah die furchtbaren Gesichter, die sich alle voneinander unterschieden und doch alle irgendwie gleich waren.
Ich hörte auch ihr Heulen und konzentrierte mich auf meinen Geist.
Ich hielt eine Rose in der Hand. Sie bildete einen Teil des Sechsecks, aus dem die Geister gestiegen waren.
Mir war es gelungen, diese Magie des Schreckens zu erwecken.
Wodurch, darüber konnte ich nur spekulieren, wahrscheinlich, weil ich der Träger des Kreuzes war.
Es hatte sich der hier herrschenden Magie entgegengestemmt und den Kreis aufgerissen.
Obwohl nur Sekunden vergangen waren, kam mir die Zeit vor, als wären Minuten abgelaufen.
Ich stand noch
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