0533 - Die Drachen-Lady
Nachgeschmack.«
Ich kam wieder auf das Thema zu sprechen. »Was hältst du eigentlich von dieser Maureen?«
»Tut mir leid, John, ich habe von ihr persönlich nicht viel gesehen. Wir haben uns zwar unterhalten…«
»Und?«
»Ich muß dir ehrlich sagen, daß die Kleine genau weiß, was sie will. Die geht mit dem Kopf durch die Wand.«
»Auch über Leichen?« fragte ich.
»Sicher.«
Er hatte die Antwort mit einem so großen Ernst gegeben, daß ich erschrak. Da ich mir jedoch ein eigenes Urteil bilden wollte, ließ ich die Fragerei vorerst bleiben, schaute raus und besah mir die Landschaft.
Sie hatte etwas Typisches an sich. Die hohen Felsen, der grüne Bewuchs, die mächtigen Bäume mit den vom Wind aufgewühlten Kronen und auch die schmalen Wege, über die wir fuhren, gehörten dazu. Ein wunderschönes Land, zu dem noch das Meer kam, dessen Wellen im ewigen Rhythmus an den Strand rollten.
Wir befanden uns noch ziemlich hoch. Im Ort hatte man uns erklärt, daß die Coopers in einer kleinen Bucht lebten.
Irgendwann würde die Strecke auch zum Wasser hinabführen.
Schon bald verließen wir den lichten Wald, fühlten uns freier. Der gewaltige Himmel leuchtete in vornehmem Graublau.
Auch der schmale Feldweg senkte sich dem Meer entgegen. Bogenartig führte er auf die kleine Bucht zu, wo wir zwei Steinhäuser erkannten, die dicht nebeneinander standen.
»Da wohnen sie«, sagte Bill.
Ich schielte ebenfalls nach unten. Die beiden Häuser sowie die gesamte Bucht machten nicht nur einen malerischen, auch einen verlassenen Eindruck. Als hätte dort mal jemand gewohnt und wäre dann weggezogen, ohne etwas mitzunehmen.
»Hast du was?« fragte Bill, der sich wohl an meinem Gesichtsausdruck störte.
»Ich weiß nicht, aber mir gefällt das nicht.«
»Was?«
»Alles.«
»Du suchst das Mädchen, nicht?«
»So ist es.«
»Vielleicht ist die Kleine geflüchtet.«
»Und wohin?« fragte ich.
»Zu den Drachen.«
Ich mußte lachen-. »Schau dir mal die Gegend an, Bill. Ist das eine Landschaft für Drachen?«
»Ich würde meinen – ja.«
Bill hatte so überzeugend gesprochen, daß auch ich nachdenklich wurde. Unser Blickfeld besserte sich. Wir konnten sehr gut in die Bucht hineinschauen, sahen auch das Wasser und die ausrollenden Wellen, wie sie über den Sand leckten oder sich regelrecht gegen die Felsen warfen, die aus dem Wasser schauten.
Manche sahen aus wie Köpfe, andere besaßen eckige Formen, bis ich eine Formation entdeckte, die mir ungewöhnlich vorkam.
»Halt doch mal an, Bill!«
Er stoppte, ohne nachzufragen. Um noch besser sehen zu können, stieg ich aus, gefolgt von Bill. Nebeneinander blieben wir am Rand des klippenartigen Hangs stehen.
»Weißt du nun, was ich gemeint habe, John?«
»In der Tat. Dir sind die Felsen aufgefallen.«
Mein Freund nickte zweimal. »Sie haben für meinen Geschmack die Form eines Drachenrückens oder eines Drachenskeletts. Als wäre hier ein Fabelwesen gestorben und versteinert.«
Wir dachten beide über die Worte nach und ließen uns dabei vom linden Frühlingswind streicheln, der den Geruch von salzigem Meerwasser mitbrachte.
Ich wechselte meine Blickrichtung und schaute wieder auf die beiden hüttenartigen Strandhäuser. Noch immer zeigte sich dort keine Bewegung. Nur das Brausen der fernen Brandung an den hohen, nordwärts gelegenen Klippen drang an unsere Ohren.
»Deine kleine Freundin wird sich gehütet haben, nach Hause zurückzukehren«, sagte ich zu Bill. »Sie muß davon ausgehen, daß man ihr auf die Schliche kommt.«
»Ich weiß es auch nicht. Du willst aber trotzdem hinunter und dir die Buden ansehen.«
»Und wie. Komm!«
Bill fuhr auch den Rest der Strecke.
Der Pfad wurde breiter und weicher. Manchmal hatte man den Eindruck, auf dem Sand zu schwimmen.
In der Bucht lief er aus. Sie bildete von den Maßen her einen Halbmond, den jemand auf den Rücken gelegt hatte. Sand und Steine vermengten sich, das Wasser leckte gegen die Grenze, der Wind spielte mit dem harten Gras, das zwischen den Felsen wuchs.
Ich drückte die Tür sehr leise ins Schloß und machte die ersten Schritte auf die Hütte zu. An ihr konnte ich auch vorbeischauen und das ungewöhnliche Steingerippe beobachten.
Es gibt manchmal eine Stille, die mir zwar nicht unheimlich ist, mir aber nicht paßt.
So war es auch hier. Sie gefiel mir einfach nicht, kam mir lauernd vor, irgendwie hatte ich auch den Eindruck, aus einem Versteck heraus beobachtet zu werden.
»Und?« fragte
Weitere Kostenlose Bücher