0534 - Der Unsichtbare
Mordfälle auf dem Schreibtisch, jeden Moment kann der achte dazukommen, und Sie machen sich damit bei allen Kollegen und inzwischen auch bei Gaudian lächerlich, weil Sie Tankbetrüger jagen…«
Robin seufzte. »Wissen Sie, wieviele Autokennzeichen in den letzten drei Wochen gestohlen worden sind? Ein Kennzeichensatz mehr, als es Tankstellenbetrüge gab! Und jedesmal wurden die Kennzeichen einen Tag vor der nächsten Selbstbedienungsaktion an einer Tankstelle geklaut! Wetten, daß heute oder morgen wieder ein grauer Volvo betankt wird, ohne daß der Fahrer dafür auch nur einen Sou auf die Ladentheke legt? Wenn ich nur wüßte, welche Tankstelle als nächste dran ist! Dann könnte ich den Burschen schnappen…«
»Chef!« seufzte Brunot verzweifelt. »Selbst wenn es immer wieder derselbe Wagen ist…«
»…ist sein Besitzer ermordet worden und das Auto gestohlen, um jetzt mit wechselnden Kennzeichen durch unser Departement zu fahren – mindestens durch unseres! Möglicherweise hat der Killer seinen Radius viel weiter gespannt. Was anderswo passiert, daran komme ich nicht so einfach, weil ich da die Computerdaten erst mit einer Sondergenehmigung via Paris abrufen kann! Es lebe unsere zentralistische Bürokratie!«
»Es gibt mehrere graue 760er«, glaubte Brunot erinnern zu müssen. »Warum muß es ausgerechnet der aus dem ungeklärten Mordfall sein?«
Robin berührte mit dem Zeigefinger seine Nasenspitze.
»Weil mein Riechkolben es mir sagt! Die Bilder passen zusammen, ebenso wie der Kreditkartendiebstahl paßt! Da steigt einer in eine Villa ein, klaut der Dame des Hauses die Mappe mit den Karten aus der Handtasche, und diese Handtasche liegt genau neben dem offenen Tresor mit Schmuck, Aktien, Bargeld, Schecks und anderem Brimborium! Das ist doch verrückt, paßt aber zu dem Mord an dem Juwelendieb Riviere! Ich sage Ihnen, François, das paßt alles hundertprozentig zusammen! Es ist immer derselbe Täter, aber ich begreife nicht, was er mit seinen verrückten Aktionen eigentlich will!«
Brunot zuckte mit den Schultern. »Wir werden sehen…«
Aber Robins Zuversicht konnte er mit seiner Skepsis nicht erschüttern.
***
Was Zamorra plante, hatte er nicht laut ausgesprochen, weil er befürchten mußte, von dem Unsichtbaren belauscht zu werden. Zwar war in seiner und Nicoles Nähe kein Schatten zu bemerken, dessen Ursprung unklar blieb, aber ganz sicher war er sich nicht, und selbst wenn er mit Nicole zusammen den Raum abtastete, blieben für einen Unsichtbaren genug Möglichkeiten, der Kontrolle zu entkommen.
Er suchte wieder sein Arbeitszimmer auf. An einer Stelle der Wand berührte er die Tapete. Dahinter befanden sich versteckte Sensortasten, die jetzt eine noch verstecktere Tresortür öffneten. So gut wie fugenlos in die Wand eingelassen, war sie nur zu erkennen, wenn man wußte, wo man hinzuschauen hatte. Die Tür schwang auf, blieb exakt drei Sekunden lang geöffnet und schloß sich dann von selbst wieder. Diese Zeitschaltung war nicht zu manipulieren. Wer nicht genau wußte, was im Safe an exakt welcher Stelle lag und suchen mußte, kam mit diesen drei Sekunden kaum hin. Die sich dann blitzartig schließende Tür machte vor noch im Tresor befindlichen Diebeshänden nicht halt. Traf sie auf Widerstand, wurde gleichzeitig die Polizeistation in Feurs unterrichtet; eine wirksame Maßnahme gegen Diebstahl – und auch von Vorteil für den Dieb, der möglicherweise noch schnell genug ärztlich versorgt werden konnte, ehe er am Verlust seiner Hand verblutete.
Drei Menschen kannten den Zahlencode, mit dem der Tresor geöffnet werden konnte, und wußten auch um die 3-Sekunden-Schaltzeit, die ausreichte, gezielt etwas herauszunehmen oder hineinzulegen: Zamorra, Nicole und Raffael. Selbst Butler William, seit langem in Llewellyn-Diensten und von Lady Patricia mit ins Château gebracht, war nicht in dieses Geheimnis eingeweiht worden, obgleich er längst mehr als nur Patricias Butler war und immer mehr in Raffaels Rolle hineinschlüpfte. Jedem, außer Raffael Bois selbst, war klar, daß der alte Mann seine Aufgaben nicht mehr bis in alle Ewigkeit würde erfüllen können. Also war William stillschweigend zu seinem »Assistenten« und heimlichen Nachfolger geworden.
Diese Geheimniskrämerei war ein weiterer Diebstahlschutz. Der Safe konnte höchstens durch Zufall gefunden werden. Dann der Code als zusätzlich Hürde und schließlich die Zeitschaltung – was hier deponiert wurde, war sicherer bewahrt als die
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