0534 - Der Unsichtbare
Spielzeugen.
Leise schloß sie die Tür wieder.
Vielleicht sollte sie sich und den Jungen einschließen, überall den Schlüssel herumdrehen.
Dann konnte der Spuk nicht ebenso leise Türen öffnen und hindurchschlüpfen – oder benutzte er eine ganz andere Methode, um von Zimmer zu Zimmer zu gelangen? Vielleicht bewegte er sich durch feste Wände?
Oder war er unter Umständen ein Teleporter, so wie die Silbermond-Druiden mit ihrer Fähigkeit, per zeitlosem Sprung innerhalb von Sekundenbruchteilen an einem anderen, weit entfernten Ort zu erscheinen?
»Wir müssen hier weg«, flüsterte sie. Vielleicht zum Beaminster-Cottage. Denn dies war nicht das erste Mal, daß sie Rhett und sich im Château Montagne bedroht fühlte. Sie wollte sich nicht auf der gleichen Zielscheibe bewegen, in deren Mittelpunkt Zamorra stand.
Als sie sich in ihrem Wohnzimmer wieder in den Sessel sinken lassen wollte, um weiter in einem Buch aus Zamorras großer Sammlung zu lesen und dadurch auch ihre Französisch-Kenntnisse weiter zu schulen und zu verbessern, lag das Buch nicht mehr an derselben Stelle wie zuvor.
***
Zamorra wußte, daß er seinen Versuch mit mehr oder weniger starken Kopfschmerzen würde bezahlen müssen. Der Dhyarra-Kristall 4. Ordnung war fast zu stark für ihn. Früher hatte er davon ausgehen müssen, daß er ihn nicht bedienen konnte. Inzwischen konnte er es; vermutlich hatten sich seine dafür erforderlichen Para-Kräfte entsprechend verstärkt. Aber zu einer perfekten Beherrschung reichte es noch nicht; da mußte er erst noch hineinwachsen.
Es hatte auch einmal eine Zeit gegeben, in der ein Kristall 3. Ordnung noch zu stark für ihn war.
Damals wie heute mußte er vorsichtig sein, wenn er starke Sternensteine benutzte. War ein Dhyarra zu stark für seinen Benutzer, so brannte er ihm das Gehirn aus – im günstigsten Fall verbrachte der Betreffende den Rest seines Lebens als lallender Idiot in einer Heilanstalt, oder er war eben einfach tot. Aber es war normal, daß die Para-Fähigkeiten sich allmählich verstärkten, wenn man an ihnen arbeitete, denn sonst hätte es niemals geschehen können, daß Dhyarra-Benutzer »Fortschritte« machten und gar mit ihrer eigenen Para-Kraft ihre Kristalle selbst in die nächsthöhere Kategorie aufstockten. Der Abschluß dieses Vorgangs war dann ein Machtkristall, der seinen Besitzer zugleich als den rechtmäßigen ERHABENEN der DYNASTIE DER EWIGEN kennzeichnete.
So hoch hinaus wollte Zamorra allerdings nicht; er besaß keinerlei Ehrgeiz, die Geschicke eines Volkes lenken zu müssen, das ein galaxienweites Imperium errichtet hatte. Er wollte nur, soweit es ihm möglich war, mit Hilfe der Sternensteine den negativen Mächten Einhalt gebieten.
Und jetzt wollte er versuchen, einen Unsichtbaren aufzuspüren und in eine Falle zu locken…
Es würde nicht einfach sein. Er mußte dem Dhyarra-Kristall dazu geistige Befehle erteilen, die in bildhafter Form formuliert wurden, ähnlich wie die Bilder in einem Comic-Strip. Bei einfachen Dingen wie zum Beispiel dem Entzünden eines Feuers war das nicht sonderlich schwer. Es wurde um so komplizierter, je abstrakter die Vorstellungen waren. Aber das ständige »Training« mit dem Dhyarra-Kristall sorgte zugleich auch dafür, daß Zamorra lernte, komplizierte Sachverhalte so einfach und bildhaft, also verständlich, wie möglich zu beschreiben – ein Lernprozeß, dem sich seiner Meinung nach wenigstens
99 % aller Berufspolitiker ebenfalls unterziehen sollten…
Seinen Befehl mußte er in mehreren Schritten formulieren.
Erkenne, wie viele Personen sich im Château Montagne bewegen – Personen heben sich dadurch von toten Gegenständen ab, daß sie sich bewegen, auch wenn diese Bewegung noch so geringfügig ist wie das Atmen im Schlaf.
Lokalisiere diese Personen.
Unterscheide sie nach Körperform und -größe.
Das alles mußte er in Gedankenbilder fassen. Während er sich daran übte, fühlte er zwischendurch leichten Schwindel, und ein dunkler Schleier wollte sich über seine Gedankenbilder legen. Aber er zwang diese Begleiterscheinungen eines hochrangigen Dhyarras zurück und arbeitete weiter.
Und dann kamen die »Meldungen«…
***
»Das Buch«, flüsterte Patricia bestürzt. Sie streckte die Hand danach aus, zuckte aber wieder zurück. Vorhin hatte es direkt neben ihrem Sessel auf dem niedrigen Tisch gelegen, jetzt war es gut zehn Zentimeter entfernt und lag auch nicht mehr gerade, sondern etwas schräg! Sie irrte sich nicht;
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