0534 - Der Unsichtbare
wahrgenommen hat. Keine Atemgeräusche, keine Bewegungen, kein Geräusch von noch so leisen, schleichenden Schritten… einfach nichts!«
»Ich konnte auch nichts spüren«, bestätigte Nicole, die sich mittlerweile nicht mehr nackt zeigte, sich aber mit einem langen Hemd ausreichend bekleidet fühlte, das ihr, mit einem Gürtel leicht gerafft, knapp über den Po reichte. »Ob er sich immer noch in unserer Nähe aufhält?«
»Eigentlich müßte er doch einen Schatten werfen, den wir wahrnehmen können«, überlegte Zamorra.
»So unsichtbar kann sich niemand machen, daß er für Licht hundertprozentig durchlässig wird. Selbst eine völlig klare Glasscheibe wirft immer noch einen leichten Schatten, wenn das Licht stark genug ist.«
»Du meinst also, wir sollten auf leichte Schattenbildung achten, die dort auftaucht, wo sie eigentlich nicht sein sollte?«
Er nickte. Immerhin hatte er selbst es auch schon hin und wieder fertiggebracht, sich »unsichtbar« zu machen, nur war diese Unsichtbarkeit nicht echt, sondern anderen Menschen nur vorgegaukelt.
Ein tibetischer Mönch hatte es ihn vor vielen Jahren einmal gelehrt. Es hing mit der Persönlichkeitsaura zusammen, mit jenen unsichtbaren Schwingungen, die man nicht sehen, sondern nur fühlen konnte. Es war eine Sache der Konzentration, diese Aura nicht aus dem Körper hervordringen zu lassen.
Wurde sie von anderen nicht mehr wahrgenommen, signalisierte deren Unterbewußtsein, daß sich kein Mensch mehr in der Nähe befand. Der optische Eindruck wurde dann einfach nicht mehr richtig verarbeitet. Auf diese Weise konnte Zamorra »unsichtbar« mitten durch eine Menschenmenge schreiten, ohne auch nur von einer einzigen anderen Person gesehen zu werden. Nur bei unmittelbaren Berührungen drang der Wahrnehmungsreiz doch bei anderen durch. Und ein weiteres Handicap war der Schatten. Denn der Unsichtbare war natürlich nicht durchsichtig!
Aber wer achtet schon auf Schatten?
Zamorra war ziemlich sicher, daß der Unsichtbare, mit dem sie es hier zu tun hatten, die gleiche Methode anwandte wie jener Mönch und wie Zamorra selbst. Er ließ seine Aura einfach nicht über die Grenzen seines Körpers vordringen. Das konnte auch erklären, daß auf dem Planeten Tharon der Unsichtbare plötzlich sichtbar wurde, als Nicole ihn berührte und festzuhalten versuchte – sichtbar allerdings nur für sie allein! Aber er hatte sich ihrem Griff schnell genug wieder entzogen, ehe sie auch nur ansatzweise sein Aussehen erkennen konnte.
Es mußte so sein. Zamorra konnte sich ein völlig transparentes Lebewesen nicht vorstellen. Allenfalls ein immaterielles, ein geistiges Wesen. Materielose Gespenster. Doch die hinterließen keine Fußspuren in Staub, Erde und dem Gras auf Tharons Savannenlandschaft.
»Schattenjagen also«, murmelte Nicole. »Und rätseln, was dieser Unsichtbare hier will und wie wir ihn zu fassen bekommen! Wenn er es tatsächlich schafft, in unserer Nähe zu sein, ohne daß wir ihn bemerken, kann er praktisch mit uns machen, was er will… und mit uns Katze und Maus spielen. Hoffentlich trifft dein Verdacht nicht zu, daß es außer unserem Kandidaten auch noch weitere Unsichtbare gibt! Dann gehen wir lustigen Zeiten entgegen…«
Zamorra nickte.
»Mir wird schon etwas einfallen«, sagte er. »Ich habe eine Idee…«
***
Robin sammelte Puzzlestücke. François Brunot, sein Assistent, der ihm erst vor einem Monat zugewiesen worden war, kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. »Chef, das alles hat doch nichts mehr mit den Mordfällen zu tun! Zwei Kreditkartendiebstähle, mehrere Anzeigen von Tankstellen, weil Autofahrer geflüchtet sind, ohne nach dem Tanken zu bezahlen… Himmel, Chef, wollen Sie auch noch alle Fälle in Ihre Liste aufnehmen, in denen alten Frauen die Handtaschen geklaut worden sind?«
»Das wäre nicht verrückt genug.«
»Und was ist an Tankstellenbetrug verrückt?« wollte Brunot wissen, vom Aussehen und seiner schnellen, abgehackten Sprechweise her das exakte Gegenteil seines Vorgesetzten. Lief Robin immer etwas nachlässig gekleidet einher, trug der schlanke, hochgewachsene Brunot stets die neueste Designermode spazieren. Woher er bei seinem Polizistengehalt das Geld dafür nahm, war nicht nur Robin ein Rätsel.
»Die Tatsache, daß es sich jedesmal um einen grauen Volvo 760 handelte.«
»Und jedesmal um ein anderes Kennzeichen«, wandte der blonde Brunot ein. »Chef, Sie verrennen sich da in etwas! Wir haben sieben unaufgeklärte
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