0539 - Der Alptraum-Schädel
ein Klebstoff um den knöchernen Kopf, so daß sich etwas bilden konnte, das wie ein Gesicht aussah.
Es war das ursprüngliche Gesicht des Don Jaime de Toledo, den man den Hexer genannt hatte.
Ein bärtiges Gesicht mit finsteren Augen, einem breiten Mund und hochstehenden Wangenknochen. Die Haare lagen flach auf dem Kopf. Sie wirkten wie angeleimt.
Das Gesicht lebte. Es verzog sich. Qual zeichnete sich in den Zügen ab. Schreie drangen jetzt aus seinem Maul und nicht aus dem Mund der Carmen Grenada.
»Satan…«
Ein irrer, widerlicher Laut, doch der Teufel erhörte ihn nicht.
Meine Gegenkraft stand dazwischen, die Macht des Lichts, und sie war stärker als die Hölle.
Wie ein Stein fiel der Kopf nach unten, klatschte dicht vor meine Füße und zerbröselte zu feinem, graubraunen Staub.
Den Hexer von Toledo gab es nicht mehr.
»Endlich«, hörte ich mich selbst sagen, und ich sprach dabei wieder mit meiner normalen Stimme…
***
Diese Nacht würde keiner der Anwesenden vergessen. Aber so schrecklich sie auch gewesen sein mochte, sie hatte trotzdem einen großen Vorteil besessen. Nur ein Mensch hatte bei diesem Fall sein Leben verloren, das zählte doch mehr als alles andere.
Es gab nur einen Verletzten.
Suko hatte den Wirt auf ein Zimmer gebracht und ins Bett gelegt, wo Carmen neben ihrem Mann stand. Sie hatte ihn zusammen mit ihrer Schwiegermutter verbunden, die Wunde am Kopf blutete doch stark.
Wahrscheinlich würde es bei einer Gehirnerschütterung bleiben, und die war schnell auskuriert.
Als ich das Zimmer betrat, drehte sich Carmen um. Sie wich meinem Blick aus und starrte gegen die Wand.
Ich legte eine Hand auf ihre Schulter. »Was haben Sie, Señora Grenada?«
»Ich schäme mich«, flüsterte sie zurück und verkrampfte sich dabei.
»Das brauchen Sie nicht.«
»Doch, ich habe mich benommen wie…« Sie hob die Schultern.
»Genau erinnere ich mich nicht mehr daran, aber…«
»Vergessen Sie es! Sie waren nicht mehr Sie selbst, wie auch die meisten von uns.«
»Vielleicht. Ich… ich konnte auch nichts machen. Plötzlich war alles anders. Ich kam mir vor, als würde ich in einer anderen Zeit stehen. Wie ist das möglich?«
»Denken Sie nicht darüber nach, Carmen, es lohnt sich einfach nicht. Nehmen Sie das Leben so, wie es ist. Bleiben Sie bei der Familie, bei Ihren Gästen, und lassen Sie das Loch in der Küche zumauern.«
Carmen erschrak. »Meinen Sie, daß die Gesichter wieder zurückkehren werden?«
»Nein, die nicht mehr, das schwöre ich Ihnen.«
Plötzlich lächelte sie. »Wenn Sie das sagen, Señor Sinclair, glaube ich es Ihnen…«
»Das freut mich.«
Bevor ich mich versah, umschlang sie mich und preßte ihre vollen Lippen auf meinen Mund. »Das ist meine Art, jemandem danke zu sagen«, flüsterte sie.
Ehrlich gesagt, ich hatte nichts dagegen einzuwenden…
ENDE
[1] Siehe John Sinclair Taschenbuch Nr. 73 088 »Mein Flirt mit der Blutfrau«
Weitere Kostenlose Bücher