0539 - Der Alptraum-Schädel
bemühen.«
Rosa stand in der Gaststätte, als Pablo abgeschlossen hatte. Er wollte eine Frage stellen, ließ es dann bleiben, als er in das Gesicht seiner Mutter blickte. Es sagte mehr aus als alle Worte.
»Ich brauche wohl nicht in die Küche zu gehen?«
»Nein, Pablo, das brauchst du nicht. Unsere Hoffnung jedenfalls hat sich nicht erfüllt.«
»Ich möchte schlafen«, sagte Pablo.
Er wollte nichts mehr hören, nur in Ruhe gelassen werden.
Carmen war ebenfalls der Meinung. Bevor sie in ihr Schlafzimmer gingen, schauten sie bei Fernando vorbei. Der Junge lag auf dem Rücken und hielt die Augen geschlossen. Den rechten Arm hatte er um einen Teddybären geschlungen.
»Hoffentlich hat er es besser verkraftet als wir«, flüsterte Carmen.
»Kinder nehmen das manchmal leichter.«
Später lagen sie nebeneinander im Bett, hielten sich an den Händen und konnten nicht schlafen. Sie starrten zur Decke hoch, die Gedanken drehten sich in ihrem Kopf.
Einmal fragte Carmen: »Ob es noch da ist?«
»Willst du nachschauen?«
»Gott bewahre, nein.«
»Wo kann es herkommen?«
»Aus dem Geisterreich, hat deine Mutter gesagt.«
»Ach die.« Pablo richtete sich auf und schaute zum Balkon hin, dessen Türhälften weit offen standen, um Kühle in den Raum wehen zu lassen.
Über den Bergen lag ein dunkelblauer Nachthimmel wie feiner Samt. Die Sterne blinkten, der abnehmende Mond sah etwas deformiert aus, und Pablo nickte in die Richtung. »Ob das Jenseits hinter den Sternen liegt?«
»Hör auf!«
Er drehte sich um. Das Gesicht seiner Frau schimmerte in der Dunkelheit wie Alabaster. »Es muß doch eine Erklärung geben, verdammt! Nichts geschieht ohne Grund.«
»Wir werden ihn nicht herausfinden können.«
Pablo sank zurück ins Kissen.
»Nichts geschieht ohne Grund, hat Mutter auch schon gesagt. Weshalb haben sie ausgerechnet uns ausgesucht? Warum ist das Gesicht bei uns in der Küche erschienen?«
»Das wirst du wohl nie herausfinden können.«
»Müssen wir dann mit unserem neuen Familienmitglied aus dem Geisterreich leben?«
»Wahrscheinlich. Du kannst es ja abdecken. Lege irgend etwas darauf.«
»Nein, Carmen, das mache ich nicht. Ich würde immer wieder daran erinnert werden. Das wäre ebenso schlimm, als würde ich es jeden Tag sehen.« Er schwang die Beine aus dem Bett.
»Wo willst du hin?«
»Noch einmal in die Küche.«
»Ich aber nicht.«
Pablo schlüpfte in den dünnen Bademantel, der neben seinem Bett gehangen hatte. »Keine Sorge, Carmen, bleib du hier oben.«
»Gib acht.«
»Mache ich.«
Im Dunkeln stieg Pablo die Treppe hinab. Er machte auch unten kein Licht, wunderte sich jedoch, daß die Küchentür offenstand, obwohl er sie vor dem Zubettgehen geschlossen hatte.
Befand sich jemand in der Küche? Sein Herz klopfte schneller, und er spürte den kalten Schweiß auf der Stirn.
Die Mutter saß auf dem Stuhl. Sie war schattenhaft zu erkennen.
Zwischen ihren Fingern klickten die Perlen eines Rosenkranzes, und sie flüsterte die Gebete.
Als sie ihren Sohn sah, hob sie den Kopf. »Es ist noch da, Junge.«
Die rechte Hand mit dem Rosenkranz sank nach unten. »Es ist noch nicht verschwunden.«
»Das habe ich mir gedacht. Was machst du hier?«
»Ich bete für uns. Ich möchte nicht, daß die Kräfte des Jenseits Macht über uns gewinnen.«
Pablo hob die Schultern. »Vielleicht hast du aus deiner Sicht gesehen recht. Ich denke anders darüber.«
»Du solltest nicht so ungläubig sein, Junge.«
»Das bin ich auch nicht. Ich überlege nur, was man machen kann, damit das Gesicht verschwindet.«
»Nichts kann man tun. Es ist von allein gekommen, es wird auch von allein wieder verschwinden, wenn es will.«
»Genau, wenn es will. Und das, Mutter, dauert mir eben zu lange. Ich will selbst die Initiative ergreifen.«
»Was willst du machen?«
Da hatte Pablo Grenada die Idee. Er sprach sie zunächst noch nicht aus, nur seine Haltung veränderte sich. Er wirkte plötzlich wie jemand, der dicht vor dem Sprung stand.
Rosa war dies nicht entgangen. Sie kannte ihren Sohn lange genug. »Na, was hast du?«
»Mutter.« Er lief zu ihr und legte ihr beide Hände auf die Schultern. »Es ist ganz einfach. Ich werde…« Noch einmal holte er Luft. »Ich werde den Fußboden auswechseln. Wir beauftragen eine Firma, die die Steine herausbricht. Dann lassen wir die Küche betonieren. Na – ist das die Idee?« Pablo hatte damit gerechnet, daß seine Mutter aufspringen und ihm zustimmen würde, sie aber gab
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