054 - Das Geheimnis der Mumie
nahm mich mein Vater ins Britische Museum mit. Die ägyptische Abteilung beeindruckte mich besonders. Ich las einige Bücher über das alte Ägypten und war hingerissen. Seit damals kam ich nicht von dem Land los. Für mich gab es nur einen Beruf: Ägyptologin. Meine Eltern hatten sich ein ganz anderes Studium für mich vorgestellt. Sie wollten, dass ich eines Tages die Spedition übernehme, die mein Vater besitzt. Doch die interessierte mich nicht. Als sie merkten, dass jeder Umstimmungsversuch fruchtlos war, resignierten sie. Ich fuhr jedes Jahr für einige Monate nach Ägypten. Als ich mein Studium abgeschlossen hatte, bewarb ich mich um eine Stellung beim ägyptischen Museum in Kairo, die ich zu meiner größten Überraschung auch bekam. Mir macht mein Beruf Freude. Ich will noch ein paar Jahre in Ägypten bleiben und dann nach London zurückkehren.«
»Haben Sie sich auf eine bestimmte Dynastie spezialisiert?«
»Ja, auf die XVIII. Dynastie. Vor allem auf Echnaton, der wohl eine der faszinierendsten Persönlichkeiten des alten Ägypten gewesen ist.«
»Erzählen Sie mir von ihm!«, bat Coco.
Susan Baxter blickte auf die Uhr.
»Ich muss jetzt gehen«, sagte sie. »Ich hoffe, dass ich in zwei Stunden zurück bin. Dann können wir uns unterhalten.«
Susan griff nach einer Jacke und legte sie sich über die Schultern. Gemeinsam mit Coco trat sie ins Freie hinaus.
»Bis später!«, sagte Susan.
»Viel Vergnügen!«, wünschte Coco.
Susan verschwand rasch zwischen den Hütten.
Coco wartete einige Sekunden, schlüpfte in ihren Pullover und folgte Susan. Die Fellachen saßen noch immer rings ums Feuer und erzählten sich anscheinend lustige Geschichten. Es war eine sternklare Nacht. Der Mond stand hoch am Himmel.
Coco hatte keinerlei Schwierigkeiten, Susan Baxter zu folgen. Sie hielt einen Abstand von mehr als zweihundert Metern ein. Susan wandte nicht ein einziges Mal den Kopf. Sie ging die schnurgerade Straße entlang, die zu den Gräbern der 17. Dynastie führte. Kein Mensch kam ihr entgegen. Es war ruhig. Irgendwo winselte ein Schakal.
Susan Baxter ließ die Gräber hinter sich. Nach einigen Metern bog sie in die Straße nach Kurna ein. Sie kamen an einfachen weißen Häusern vorbei.
Kurz bevor Susan das kleine Dorf Kurna erreicht hatte, blieb sie stehen.
Coco drückte sich tiefer in den Schatten.
Susan ging unruhig auf und ab. Mehr als zehn Minuten geschah nichts, dann näherte sich eine weiß gekleidete Gestalt, die vor Susan stehen blieb. Es war ein junger Ägypter. Er trug die alte Tracht der Fellachen: Eine baumwollene Galabija, das einem Nachthemd ähnlich sehende Gewand, darunter eine kurze Baumwollhose, Sandalen und den von den Türken übernommenen Tarbusch (Fes).
Coco war zu weit entfernt, um die Unterhaltung der beiden zu verstehen. Susan nickte mehrmals, dann ging sie mit dem Eingeborenen in Richtung Kurna.
Susan Baxter war über das Auftauchen von Coco Zamis alles andere als begeistert. Sie konnte es einfach nicht verstehen, dass Dr. Fatima es Coco gestattet hatte, im Camp zu bleiben. Mit Bewilligung von Dr. Fatima war es Susan Baxter gestattet worden, sich mit einigen Fellachen in Verbindung zu setzen. Die Polizei war keinen Schritt weitergekommen; es war ihr nicht gelungen, eine Spur der Grabräuber zu finden. Susan Baxter hatte es in den vergangenen Wochen indessen geschafft, Kontakt mit einem Fellachen namens Hami Fonad aufzunehmen, der ihr drei Grabbeigaben aus Nefer-Amuns Grab verkauft hatte. Der erste Gegenstand war eine Alabasterschale gewesen, die eine Lotosblüte darstellte. Die Inschriften gaben das Geburtsdatum des Nefer-Amun an und einen Bannspruch. Das zweite Stück war eine kleine Bahre gewesen, die mit Löwenköpfen verziert war; auch sie trug Nefer-Amuns Siegel. Der dritte Gegenstand war ein Brustschild Nefer-Amuns gewesen, das Skarabäus-Darstellungen aufwies.
Susan hatte sich oft mit Hami Fonad getroffen und ihn bestürmt, ob er ihr nicht weitere Stücke aus dem Grab Nefer-Amuns verschaffen könnte; etwas wirklich Wertvolles. Er hatte ihr versprochen, dass er sich bemühen wollte.
Sie wusste, dass Hami Fonad nur ein Strohmann war. Er selbst wusste nicht, wo sich das Grab des Nefer-Amun befand. Sie hatte ihn gedrängt, sie mit der Grabräuberbande bekannt zu machen, doch er hatte sich verständlicherweise geweigert.
Ungeduldig wartete sie auf das Erscheinen Hami Fonads. Immer wieder blickte sie auf die Uhr. Sie atmete erleichtert auf, als sie ihn näher kommen
Weitere Kostenlose Bücher