054 - Gabe und Fluch
sie vielleicht vor fünfhundert Jahren«, gab Takashi zu bedenken, »aber in dieser Zeit kann viel geschehen. Vor fünfhundertfünfzig Jahren waren wir schon einmal erbitterte Feinde, und nun sind wir es eben wieder.«
Um seine Worte zu unterstreichen, zog er das Wakisashi mit einem kurzen Ruck aus der hölzernen Scheide. Den Griff voran reichte er die Waffe an Fudoh weiter und erklärte dabei feierlich: »Captain Perkins wird von uns nur aus einem Grund am Leben erhalten - damit du Genugtuung erhältst. Tritt näher und erfahre die bittere Süße der Rache. Danach wirst du wissen, wohin dich dein Weg führen soll. Ins trostlose Nichts oder an die Spitze der Streitkräfte.«
Der blank polierte Griff aus schwarzem Edelholz wog schwer in Fudohs Hand. Unschlüssig trat er ans Bett und ließ den Blick zwischen Klinge und Amerikaner pendeln.
»Was willst du von mir, du Missgeburt?«, hustete Perkins. »Scher dich fort!« Seine markigen Worte standen im krassen Gegensatz zu seinem zitternden Leib. Der Captain stand die gleichen Todesängste aus wie all die Opfer seiner Folterbefehle.
Auf einen Schlag brachen die Erinnerungen über Fudoh herein. So heftig, dass er den Schmerz zu spüren glaubte, den er bei jedem Schnitt erlitten hatte. Statt sich jedoch wimmernd den Kopf zu halten, hob er das Kurzschwert und beugte sich vor.
»Nein!«, krächzte Perkins entsetzt. »Alles, nur das nicht!«
Fudoh hörte die Worte, doch ihr Sinn verpuffte im dumpfen Nebel seiner Rachsucht. Mit hartem Griff packte er das linke Ohr des Captains und setzte die beidseitig geschliffene Klinge an. Ein langer Atemzug, ein letztes Zögern; dann betrat er den Weg der Zerstörung, den ihm der Shögun geebnet hatte…
***
San Fernando Valley, Januar 2518
General Fudoh erwachte, als sich die Tür zu seiner Zelle mit einem hydraulischen Zischen öffnete. In Erwartung von Takeos massiger Gestalt atmete er kontrolliert ein und aus. Falls sein Feind den Gehirnwellenscanner aktivierte, sollte er nicht mehr als den Strand von Tokio zu sehen bekommen.
Die Vorsichtsmaßnahme erwies sich allerdings als überflüssig. Durch die Tür trat eine zierliche junge Frau mit einem Tablett voller Speisen. Ihr Gesicht war ihm fremd, doch die geschmeidigen Bewegungen, mit denen sie näher kam, kannte er umso besser. So ging nur seine beste Schülerin - Suno!
Er wusste nicht, ob es Abhörwanzen in der Zelle gab, deshalb sah er sie nur fragend an. Die Ninja wartete, bis sich die Tür geschlossen hatte, bevor sie erklärte: »Eine unserer Agentinnen, die wir im vergangenen Jahr hier eingeschleust haben, besitzt in etwa meine Figur. Ich habe heute ihre Rolle bei der Essensausgabe übernommen.«
Auch als sie ans Gitter trat, konnte er keinen Hinweis auf eine Maske erkennen. Sicherlich war sie die perfekte Kopie der echten Dienerin. Sie ging auf die Knie und schob das Tablett unter dem stählernen Gitter hindurch.
In dieser demutsvollen Haltung verharrend, flüsterte sie: »Meine besten Männer haben sich unter die Flüchtlinge im Lager gemischt, Fudoh-san. Wir stehen bereit, Euch jederzeit zu befreien.«
»Kein Kommandounternehmen«, befahl er. »Wollte ich nicht hier sein, hätte ich es gar nicht erst so weit kommen lassen.«
Suno sah zu ihm auf, doch in ihren Augen spiegelte sich keine Überraschung. Sie kannte ihn zu gut, um nicht mit dieser Antwort gerechnet zu haben. »Shögun und Tenno bestehen auf Eurer Rückkehr«, flüsterte sie eindringlich. »Sie sind verärgert über Eure Eigenmächtigkeit.«
»Ich bleibe hier!«, bekräftigte Fudoh streng.
Suno senkte erschrocken den Kopf. »Wir Ihr befehlt, General!«
Hätte Fudoh noch Lippen besessen, hätte er jetzt freundlich gelächelt. Diese junge Frau erinnerte ihn viel zu sehr an Keiko, als dass er ihr lange böse sein konnte. Doch das wusste sie natürlich nicht. Milde gestimmt fuhr er fort: »Nie war ich dichter am Herzen unserer Feinde, Suno. In diesen Mauern habe ich wieder das Zeichen des Bösen gesehen. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit.«
Suno erhob sich und nickte, als ob sie verstehen würde. Natürlich tat sie es nicht. Wie sollte sie auch, jung wie sie war?
Fudoh deutete auf sein entstelltes Gesicht. »Weißt du, wann das passiert ist?«
Furcht schlich sich in ihre Züge. Sollte sie darauf ehrlich antworten? Sie rang sich zu einem zaghaften Nicken durch. Immer ehrlich, das schätze er an ihr. Süße Suno, wie gerne würde ich deine Lippen auf den meinen spüren.
»So lange«, fuhr er fort,
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