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054 - Josephas Henker

054 - Josephas Henker

Titel: 054 - Josephas Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
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kam der Söldner aber doch zum Schuß.
    Im Krachen seiner Muskete überschlug sich die weiße Wölfin. Doch gleich war sie wieder auf den Beinen und humpelte auf drei Läufen davon.
    Als der Söldner am nächsten Morgen in die Stube kam, war der linke Arm der Blonden verbunden. Der Bauer war schon draußen im Stall. Die Blonde schenkte dem Söldner ruhig Kaffee ein, schnitt eine Scheibe Brot für ihn ab.
    „Was hast du mit deinem Arm gemacht?“
    „Ich habe mich verbrannt.“
    Der Söldner sah die Blonde eine Weile mißtrauisch an.
    „Kann ich es sehen?“
    Sie löste den Verband. Die Brandwunde sah schrecklich aus. Blaurot und schwarz. Sie sei ausgerutscht und auf die glühende Herdplatte gefallen, sagte die Blonde. Der Söldner, in seine eigenen Probleme verstrickt, forschte nicht weiter.
    Am Abend dieses Tages war Vollmond. Der Söldner lag schlaflos in seiner Kammer und sah hinaus in die Nacht. Das Licht des Vollmonds verlieh den Gegenständen seltsame Konturen, ließ sie zerfließen, gab ihnen neue unheimliche Formen. Auf der Hexenwiese im Wald tanzten sie wieder diese Nacht, das wußte der Söldner. Er zermarterte sich den Kopf, ob die Rothaarige bei den andern Hexen war oder ob sie starr und steif im Grab lag.
    In der Stube zog der Bauer ein dickes, gefüttertes Wams an. Er nahm die Muskete, das Pulverhorn, den Ladestock und den Kugelbeutel.
    „Heute Nacht kriege ich den verdammten Wolf“, sagte er, „der Vollmond ist hell genug zum Schießen.“
    „Hast du das Hemd an, das ich dir genäht habe?“ fragte die Blonde wie beiläufig. „Es ist dick und wird dich warmhalten.“
    „Ja, ja“, murmelte der Bauer. „Du brauchst nicht auf mich zu warten.“
    Der blöde Knecht wartete draußen. Er ging vom Hof aus nach Norden, der Bauer nach Süden. Es war schneidend kalt, der Schnee hart gefroren. Jeder Tritt knirschte.
    Als der Bauer ein Stück gegangen war, sah er jemandem vom Hof auf sich zukommen. Es war die Blonde. Ärgerlich blieb er stehen, denn er sah keinen Grund für sie, die warme Stube zu verlassen. Was fiel ihr ein?
    Als sie vor ihm stand, bemerkte der Bauer, wie die Augen der Blonden funkelten. Wie die Lichter eines Wolfes.
    Sie knurrte etwas. Es war ein kehliger, gutturaler Laut. Dem Bauer lief ein Schauder über den Rücken. Er sah die Blonde in den Schnee sinken. Ihr Körper veränderte sich. Ihr Gesicht wurde länglich. Weiße Haare sprossen darauf hervor. Nase und Kinn wurden zu einer Schnauze, in der fingerlange Fangzähne bleckten. Der Bauer sah eine prächtige, weiße Wölfin vor sich, so groß, wie er noch nie zuvor einen Wolf erblickt hatte.
    Er riß die Muskete hoch, wollte schießen. Die Wölfin knurrte. Ein schreckliches Brennen erfaßte den Bauern, als stünde sein ganzer Oberkörper in Flammen. Wimmernd sank er in den Schnee. Die Muskete entfiel ihm.
    Das Brennen ging von dem neuen Hemd aus, das die Blonde, die nun zur weißen Wölfin geworden war, für ihn genäht hatte. Die Wölfin deutete mit der Schnauze auf den nahen Wald. Sie zwickte den Bauern mit den Zähnen in die Seite. Das Brennen verstärkte sich noch.
    Der Bauer kroch auf allen vieren vorwärts. Während er sich bewegte, ließ das mörderische Brennen etwas nach.
    Bald war der Bauer in Schweiß gebadet, obwohl es bitterkalt war. Er glaubte, zusammenzubrechen und zu sterben. Doch die weiße Wölfin trieb ihn unbarmherzig vorwärts. Es ging über Stock und Stein, hinein in den Wald. Dann lag die Hexenwiese vor dem Bauern und der weißen Wölfin. Im Vollmond sah er siebzehn Frauen auf der Lichtung. Alte Megären mit fleischlosen Totengesichtern und bildschöne, blutjunge Weiber, verlockend wie die Sünde.
    Eine schöne, schwarzhaarige Frau trat vor das ungleiche Paar hin. Der Bauer brach keuchend neben dem Findlingsblock zusammen. Die schwarzhaarige Frau kraulte das Nackenfell der weißen Wölfin.
    „Das hast du gut gemacht, Catherine Loup“, sagte sie. „Ich hoffe, daß auch wir dir bald einen Dienst erweisen können. Dieser Mann gehört dir, doch zunächst wollen wir mit ihm abrechnen.“
    Sie wandte sich an den Bauern.
    „Du hast den Hexensabbat belauscht und eine der unseren dem Henker ausgeliefert. Du und dein Bruder, ihr habt sie getötet. Euretwegen liegt sie jetzt im Grab. Noch ist die Zeit ihrer Rache an deinem Bruder und seiner Sippe nicht gekommen. Doch du, Verräter, du wirst heute schon sterben. Durch uns.“
    Die Hexen kreischten. Sie bildeten einen Kreis um den keuchenden Bauern, sangen Lieder in

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