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054 - Josephas Henker

054 - Josephas Henker

Titel: 054 - Josephas Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
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einer Sprache, die er noch nie gehört hatte. Ein Becher kreiste rundum.
    Einige rissen sich die Kleider vom Leib. Es waren bildschöne junge
    Mädchen mit festen, schlanken, biegsamen Körpern und alte, verhutzelte Vetteln mit ausgetrockneten, schlaffen Brüsten. Auf ein Zeichen der Schwarzhaarigen rissen sie den Bauern hoch. Eine umfaßte ihn, drehte sich mit ihm im Tanz, daß ihm der Atem wegblieb.
    Sie tanzten über die Lichtung, drehten sich in einem Tempo, daß er nicht mehr wußte, ob seine Füße noch den Boden berührten. Ein schrilles Kreischen und Heulen erfüllte die Luft. Bald hielt der Bauer eine bildschöne junge Hexe mit feurigen Augen im Arm, spürte den Druck ihrer Brüste und ihres schönen nackten Körpers, bald blies ihm eine häßliche Alte ihren stinkenden Atem ins Gesicht. Die weiße Wölfin wirbelte ständig zwischen den Tanzenden und schnappte nach seinen Beinen.
    Der Bauer wußte nicht, wie lange er so mit den Hexen getanzt hatte. Aber sein Herz schlug wie ein Hammer. Er war zu Tode erschöpft und glaubte, vor Entkräftung umfallen zu müssen.
    So plötzlich, wie er begonnen hatte, endete der Tanz auch. Die Hexen bildeten einen Kreis um den keuchenden Bauern. Er brach in die Knie, vollständig ausgelaugt von der wilden Jagd. Schreie gellten auf. Wie die Furien stürzten die Hexen sich auf den Bauern, allen voran die weiße Wölfin.
    Ihre langen Reißzähne gruben sich in den Arm des Mannes. Er schrie. Blut schoß hervor, färbte den Schnee und das weiße Fell der Wölfin rot.
     

     

Als Paul erwachte, stand die Sonne schon hoch am Himmel. Ein Blick auf seine Armbanduhr verriet ihm, daß es fast elf Uhr war. Pauls Kopf war wirr nach den Ereignissen der Nacht und all den merkwürdigen Träumen. Irgend etwas mußte in diesen Mauern sein, das ihm diese Alpträume verursachte. Er träumte sonst das ganze Jahr nicht. Und nun sah er düstere, makabre Szenen, Hexen und Henker vor sich, kaum daß er die Augen geschlossen hatte.
    Zu seinem Erstaunen sah Paul, daß Josepha neben ihm lag. Ihr Gesicht war zerkratzt, ihr Haar zerzaust, als hätte sie mit einer Katze gerauft.
    Paul schüttelte Josepha an der Schulter. Sie öffnete die Augen. Einen Augenblick sah sie ihn irritiert an, dann ging ein Strahlen über ihr Gesicht.
    „Paul, ach Paul. Ich habe solche Angst gehabt.“
    „Du machst schöne Sachen“, sagte Paul Warringer und versuchte, sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen. „Warum bist du denn in der Nacht in der Kapelle vor mir weggelaufen?“
    Josepha erzählte Paul den schlimmen Traum. Wie sie zur Richtstätte gekarrt worden war und ihn als Henker mit dem Schwert gesehen hatte. Paul sah sie erstaunt an.
    „Das ist aber merkwürdig. Auch ich habe geträumt, mehrmals. Mir träumte, ich sei ein Henker und müsse eine Hexe hinrichten, die genauso aussah wie du. Meine frühere Geliebte.“
    Aus war es mit der sonnigen Morgenstimmung. Durch die kleinen, bleigefaßten Fensterscheiben fiel die Sonne hell in den Raum. Doch Paul und Josepha fröstelten. Geistesabwesend sah Paul Warringer an seiner bildschönen Frau im hauchdünnen Nachthemd vorbei.
    „Das ist aber merkwürdig“, sagte er nochmals. Er sah Josepha ernst an. „Irgend etwas geht hier vor, Josy. Du weißt, ich bin ein nüchterner, sachlicher Mensch. Ich glaube nicht an Parapsychologie, Hexerei, Magie und solchen Unsinn. Sonst würde ich glatt sagen, daß uns jemand per Fernhypnose diese gräßlichen Träume schickt und daß dieser Ort – verhext ist. Ach was, Unsinn. Komm, wir trinken schnell Kaffee, gehen zur Tankstelle und sehen zu, daß wir so schnell wie möglich aus diesem makabren Kaff wegkommen. Hier kann man ja Zustände bekommen.“
    Sie zogen sich an, zum erstenmal auf ihrer Hochzeitsreise ohne ein vorhergehendes Liebesintermezzo. Paul schimpfte, als er keine Steckdose für seinen elektrischen Rasierapparat fand. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als die Bartstoppeln stehenzulassen.
    Außer dem Wirt war nur noch ein langer Kerl in abgetragenen, alten Sachen, die in ein Museum zu gehören schienen, in der Gaststube. Er sah Paul und Josepha schief von der Seite an, kippte seinen Schnaps und rannte hinaus.
    „Können wir Kaffee bekommen?“ fragte Paul.
    Der Wirt nickte. Zehn Minuten später brachte er eine alte, abgestoßene Kaffeekanne, eine altbackene Scheibe Brot und einen lächerlichen Klecks Butter. Paul war zu müde und erschöpft, um mit ihm zu streiten. Er fühlte sich wie gerädert und wäre fast am

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