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054 - Josephas Henker

054 - Josephas Henker

Titel: 054 - Josephas Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
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Josepha unerklärlich, woher diese roten Punkte rührten. Noch einmal versuchte sie, Paul zu wecken. Doch er reagierte noch weniger als nach der turbulenten letzten Sylvesterfeier.
    Da zog Josepha Paul Schuhe und Jacke aus, deckte ihn zu. Dann entkleidete sie sich, streifte ein hauchdünnes Nachthemd über und schlüpfte neben Paul unter die Decke.
    Nach all den Ängsten und Anstrengungen forderte die Natur ihr Recht. Josepha schlief ein. Halb im Schlaf schon hörte sie, wie Paul neben ihr in seinem Alptraum aufstöhnte. Dann versank sie in einen tiefen, festen Schlaf.
     

Seit jener schrecklichen Hinrichtung war der Söldner nicht mehr der alte. Er weigerte sich, je wieder einen Menschen hinzurichten. Die Arbeit des Bauernhofes überließ er seinem Bruder. Tagsüber wanderte er gedankenverloren über die Felder. In den hellen Vollmondnächten irrte er im Wald umher.
    Doch so sehr er auch suchte, er konnte jene geheimnisumwitterte Hexenwiese in keiner Vollmondnacht finden. Am hellen Tag machte es ihm keine Schwierigkeiten, sie aufzusuchen, und auch in normalen Nächten fand er sie.
    Doch wenn der Mond sich gerundet hatte, war es wie verhext. Als entwickelte der Wald ein eigenes Leben. Büsche, Bäume und Hecken stellten sich dem Söldner entgegen. Pfade, die er schon seit seiner Kindheit kannte, waren plötzlich nicht mehr da oder führten ihn in die Irre.
    Einmal, als er sich schon am Ziel glaubte, stellte sich ein mächtiger schwarzer Keiler dem Söldner in den Weg. Nur mit Mühe konnte er sich auf einen Baum retten. Von dieser Begegnung trug er eine lange, tiefe Wunde am linken Oberschenkel davon. Erst im Morgengrauen verschwand der Keiler im Unterholz. Der Söldner hörte ein diabolisches Kichern.
    Müde, steif und zerschlagen von den langen Stunden, die er verkrümmt auf dem Baum gesessen hatte, ging der Söldner nach Hause. Mit seinem Bruder redete er nicht mehr, seit der die Rothaarige denunziert hatte. Die Bewohner des Dorfes gingen ihm aus dem Weg.
    Doch auch Paul, der Bruder des Söldners, veränderte sich. Er war schon immer ein unwirscher, grober Klotz gewesen, eigenbrötlerisch und jähzornig. Den Hof und die Felder hielt er in Schuß, das mußte man ihm lassen. Doch Freunde oder gesellschaftlichen Umgang hatte er nicht.
    Ein geistig zurückgebliebener Knecht und eine uralte, halbtaube Magd, so häßlich, daß nicht einmal der Teufel sie genommen hätte, waren seit Jahren auf dem Hof. Von Zeit zu Zeit waren auch andere Knechte und Mägde auf dem Hof, aber länger als ein halbes Jahr hatte noch niemand ausgehalten. Mit dem Bauern konnte eben kein halbwegs klarer und normaler Mensch auskommen. Er war geizig, jähzornig, rechthaberisch, engstirnig, ein gemeiner Antreiber und Schinder noch dazu.
    Vierzehn Wochen nach der Hinrichtung der Rothaarigen klopfte es an der Tür des einsam gelegenen Bauernhauses. Der Bauer – Paul – ging mürrisch brummend zur Tür und öffnete.
    Eine Frau stand vor ihm. Sie war völlig durchnäßt, denn es goß in Strömen und der Donner krachte, als wollte er das Himmelsgewölbe sprengen. Die Frau war blond, hochgewachsen und bildschön. Ihre Augen hatten die Farbe von Bernstein. Im Schein des Feuers funkelten sie wie Katzenaugen.
    Außer einem kleinen Bündel hatte die blonde Frau nichts bei sich. Das Wasser tropfte aus ihren langen, blonden Haarflechten.
    „Kann ich hier ein trockenes Plätzchen finden, bis das Gewitter vorbei ist?“ fragte sie.
    Der Bauer musterte sie von Kopf bis Fuß.
    „Wenn ich jede Dahergelaufene an meinen Tisch laden wollte, wäre ich bald ein armer Mann.“
    Die häßliche, alte Magd in der Stube kicherte boshaft.
    „Ich bin keine Dahergelaufene“, sagte die blonde Frau. „Ich habe schon oft als Magd gearbeitet, und ich verstehe mich auf alles, vom Melken und Stallmisten bis zum Brotbacken und Hemdenflicken.“
    Jetzt überlegte der Bauer. Der Fraß der Alten, den er jeden Tag hinunterschlingen mußte, war ihm zuwider geworden.
    „Suchst du Arbeit?“ fragte er.
    Die Blonde nickte.
    Der Bauer tat noch eine Weile, als denke er nach. Dann sagte er: „Wenn du tüchtig bist und etwas von der Arbeit auf dem Hof verstehst, kannst du bleiben. Aber für Faulenzer habe ich hier keinen Platz, damit du es weißt.“
    Er bot der Blonden eine Entlohnung an, für die nicht einmal der blöde Knecht gearbeitet hätte. Der Bauer machte sich auf eine lange Feilscherei gefaßt. Doch zu seinem Erstaunen war die Blonde einverstanden.
    Er ließ sie ein. Von da an

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