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054 - Josephas Henker

054 - Josephas Henker

Titel: 054 - Josephas Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
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Träume von jenem letzten Warringer, der vor dir hier war. Er machte es mir am leichtesten, damals, 1945.“
     

     
    „Möchte wissen, warum der Captain ausgerechnet in diesem kleinen Nest eine Kommandantur einrichten will“, sagte Lieutenant Warringer. „Das sieht hier aus, als wüßten sie noch nicht, daß der Dreißigjährige Krieg vorbei ist.“
    „Wir müssen auf alles vorbereitet sein“, antwortete Sergeant Rusty Mailer, sein Dolmetscher. „Wäre doch peinlich, wenn wir mit irgendeinem Widerstandsnest Ärger bekämen.“
    Lieutenant Warringer und seine zwanzig Mann übernahmen den kleinen Ort. Sie gingen nach dem bewährten Muster vor. Der Lieutenant bestimmte ein paar Zivilpersonen, die ihm bei der Verwaltung helfen sollten. Viel gab es nicht zu verwalten.
     

    Der Lieutenant und Rusty zogen in einen Gasthof mit dem merkwürdigen Namen, Zur letzten Einkehr’. Die Soldaten requirierten zwei Häuser. Der Ort wurde nach Waffen durchsucht, ein paar Routineverhöre durchgeführt.
    „Das ist ein fürchterliches Nest“, sagte der stoppelhaarige Rusty am Abend des ersten Tages. „Die Leute hier scheinen kaum zu wissen, daß der Krieg gerade zu Ende gegangen ist. Ein seltsames Dorf.“
    Die Leute in der Gaststube tuschelten miteinander, immer wenn der Lieutenant da war. Sie warfen ihm verstohlene Blicke zu. Ein mürrischer, einäugiger Wirt, der ebensogut dreißig wie fünfzig sein konnte, servierte dem Lieutenant und Rusty im Speisesaal das Essen.
    Der Lieutenant aß kaum etwas. Er steckte sich eine Camel an, starrte in die düstere Ecke des Raumes. Es gab kein elektrisches Licht im Dorf. Angeblich waren die Lichtleitungen von Bomben zerstört worden.
    „Dieses Dorf gefällt mir nicht“, sagte der Lieutenant. „Überall ist diese düstere, bedrückende Atmosphäre. Ich werde das Gefühl nicht los, ich wäre hier schon einmal gewesen.“
    Rusty, der Psychologie studiert hatte, hielt dem Lieutenant einen langen wissenschaftlichen Vortrag zu diesem Thema. Der Lieutenant hörte kaum zu, seine Gedanken waren woanders.
    „Ich werde einen Spaziergang machen“, sagte er zu Rusty, als der geendet hatte. „Ich muß raus hier, an die frische Luft.“
    Rusty war besorgt.
    „Du solltest nicht nachts allein draußen herumlaufen“, warnte er. „Schließlich hatten die Germans bis vor kurzem Krieg mit uns.“
    Der Lieutenant klopfte auf die geschlossene Pistolentasche. Er ging hinaus. Fast körperlich spürte er die Blicke der Männer und Frauen in der Gaststube, als er am Tresen vorbei zur Tür ging.
    Die klare Nachtluft tat dem Lieutenant gut. Es war eine Vollmondnacht, die Konturen der Häuser zerflossen im bleichen Licht. Der Mond sah blaß und erschreckend aus, wie ein beinerner Schädel. Ach was, sagte sich der Lieutenant, ich bin doch kein altes Weib.
    Der Lieutenant spazierte wohl eine Stunde durch die Straßen und Gassen des Ortes. Einmal begegnete er einer Streife seiner Leute und wechselte ein paar Worte mit ihnen.
    Es wunderte ihn nicht, daß die Straßen des Ortes verlassen waren, schließlich hatte er selbst ab 20.00 Uhr Ausgangssperre angeordnet.
    Als der Lieutenant zum Gasthof zurück wollte, verlief er sich. Die Straßen und Gassen sahen alle gleich aus. Er glaubte, im Kreis herumzulaufen. Schließlich klopfte er an eine Haustür. Der Lieutenant sprach und verstand zwar kein Deutsch, doch für ein paar Brocken wie ‚Gasthaus’ und ‚Unterkunft’ würde es schon genügen.
    Die Tür öffnete sich sofort. Eine schöne, rothaarige, junge Frau stand auf der Schwelle. Sie trug eine tief ausgeschnittene Bluse und einen scharlachroten Rock. Der Lieutenant stotterte etwas auf deutsch und auf englisch. Sie antwortete ihm. Er verstand sie nicht, aber er sah die Freude in ihrem Gesicht. War es nur Freude – oder Triumph?
    Plötzlich schlang die rothaarige Fremde ihre Arme um den Hals des Lieutenants und küßte ihn heiß. Ihr Körper preßte sich gegen den seinen. Im ersten Augenblick war der Lieutenant sehr überrascht, denn das hatte er nicht erwartet. So stürmisch war ihm noch keine gekommen.
    Der Lieutenant war ein gutaussehender, schwarzlockiger Mann. Er war nicht der Typ, eine schöne Frau zu enttäuschen, und er hatte eine Schwäche für Rothaarige.
    Die junge Frau war allein im Haus. Es wurde eine heiße Nacht. Sie war wie eine Wilde, ließ den Lieutenant nicht los. Irgendwann schlief der Lieutenant ein. Als er erwachte, fühlte er sich wie zerschlagen, müde und matt. Der Schein des Vollmonds

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