054 - Josephas Henker
Schultern.
„Esther“, stammelte er, „Esther.“
„Verflucht sollst du sein, Warringer“, sagte Esther Souza.
„Ich weiß nicht, was mich zu dir treibt, aber es ist stärker als ich. In der Hölle soll deine schwarze Seele braten.“
So sprach ihr Mund, aber ihr Körper drängte sich begehrend an den großen Mann. Ihre Hände zerrten an seinen Kleidern, streichelten sein Gesicht und spielten mit seinen Haaren. Warringer zögerte einen Augenblick. Aber die Leidenschaft für Esther Souza war stärker als jede Vernunft.
Er schloß die Tür ab, trug Esther zu seinem Bett. Sie war leidenschaftlich, wie er es nicht für möglich gehalten hätte. Doch sie sprach kein Wort mit ihm. Im Schein der Lampe sah er, daß aus ihren schönen dunklen Augen Tränen sickerten, während sie sich ihm hingab.
Kein Laut der Trauer oder des Widerstrebens kam über ihre Lippen, doch die Tränen flossen unaufhaltsam. Fluchend löschte Warringer das Licht.
Gavra hatte es ihm gesagt. Er besaß Esther Souzas Körper, doch sie haßte ihn wie die Hölle. Warringer war es einerlei. Er mußte seine dunkle, leidenschaftliche Natur ausleben, und wenn er beim Teufel endete.
Als er einschlief, träumte er wirr. Statt Esther Souza lag die alte Gavra neben ihm, kicherte teuflisch. Schwärme von Fledermäusen stiegen aus ihrem Haar. Der einbeinige Matrose hämmerte von draußen an die Tür, wollte herein.
Warringer erwachte. Es war dunkel im Zimmer. Jemand schlug tatsächlich an die Tür, fluchte auf Portugiesisch. Warringers Kopf war schwer vom genossenen Rum. Er zündete die Öllampe an, öffnete die Tür.
Rodrigo de Caboza stand draußen. Er drängte sich an Warringer vorbei ins Zimmer. Ein Blick genügte ihm.
„Ramera“, fluchte er. „Perra. Elendes Weib. Ich werde euch beide töten.“
Er riß den Degen aus der Scheide, stürzte sich auf Warringer. Esther Souza warf sich dazwischen.
„Rodrigo“, schrie sie, „du verstehst nicht.“
„Nur zu gut“, stieß er hervor.
Doch er zögerte einen Augenblick. Dieser Augenblick genügte Warringer, um das Dolchmesser aus der Scheide an seinem Gürtel zu reißen, der über der Stuhllehne hing. Er schlug die lange Degenklinge mit dem Unterarm zur Seite, stieß Rodrigo de Caboza das Dolchmesser zweimal in die Brust.
Der Portugiese brach zusammen, tot. Esther Souza sah Warringer an. Ein Haß stand in ihren Augen, wie er ihn noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. Doch als er sagte: „Pack schnell ein paar Sachen, wir müssen fliehen!“ zögerte sie nicht.
Weniger als eine halbe Stunde später verließen Warringer und die Tochter des Statthalters die weiße Villa. In derselben Nacht sollte der Holländer auslaufen. Warringer und die verschleierte Esther gingen an Bord. Aus der Schatzkammer Don Esteban Diego Souzas hatte Esther auf Warringers Geheiß einige der erlesensten und wertvollsten Stücke mitgenommen. Von dem nächtlichen Kampf hatte niemand in der Villa etwas bemerkt.
Der Holländer fragte nicht lange. Er verlangte einen horrenden Preis, um Warringer und die verschleierte Frau nach Cadiz zu bringen. Warringer zahlte ohne zu feilschen.
„Sagt dem alten, einbeinigen, pockennarbigen Matrosen, daß ich ihn morgen sprechen möchte, Kapitän“, sagte Warringer, ehe er die Kabine verließ.
Der rotbärtige Holländer sah ihn seltsam an.
„An Bord dieses Seglers gibt es keinen alten, einbeinigen Matrosen“, antwortete er. „Vor Jahren hatten wir einen solchen Mann an Bord. Einen unheimlichen, finsteren, alten Kerl. Er hatte seine Seele dem Teufel verschrieben, und eines Nachts hat ihn der Teufel geholt. Der Wachhabende sah, wie er über Bord sprang.“
Warringer überlief ein Schauder. Er kehrte in seine Kabine zurück, zu Esther.
Am nächsten Tag war die Mannschaft des Seglers niedergeschlagen und bedrückt. Wortlos, voller Angst gingen die Männer umher. Warringer fragte den Steuermann nach dem Grund. Der deutete mit der Hand auf einen Vogel, der in großer Höhe seine Kreise um das Schiff zog.
„Sieh dort“, sagte er.
Warringer konnte nichts Genaues erkennen. Doch dann stürzte der Vogel herab, schoß im Sturzflug knapp über das Deck. Er stieß einen fast menschlichen Schrei aus. Es war ein Vogel, wie Warringer noch nie einen gesehen hatte. Ein Albatros, mit einer Flügelspannweite von fast fünf Metern. Doch das war nicht das Erschreckende. Der Albatros war schwarz. Und seine Augen funkelten wie glühende Kohlen.
Während der Seereise wurden Warringer und Esther
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