0540 - Der Fluch der Zigeunerin
darüber erzählen - obgleich es euch wahrscheinlich interessiert. Aber ich bekomme Ärger, wenn ich darüber rede. Regierungsauftrag.«
»Seit wann rüstet die Regierung Expeditionen aus?« staunte Nicole.
»Ach, eigentlich schon immer. Vor allem Strafexpeditionen. Gegen Nordvietnam, gegen den Irak und demnächst vielleicht gegen Serbien. - Vergeßt den Unsinn… es geht hier um eine wissenschaftliche Sache. Mehr sage ich nicht. Kommt ins Haus, macht es euch am Kaminfeuer gemütlich, und wartet auf den nächsten Hurrikan, der über Florida zieht und Tendyke’s Home mal wieder knapp verfehlen wird… wie erfreulicherweise immer…«
Sie folgten ihm.
Zamorra fragte sich, warum Tendyke ihm diese Andeutungen überhaupt gemacht hatte, wenn er angeblich über die Sache nicht reden durfte.
Er mußte doch wissen, daß er seine Freunde damit erst recht neugierig machte.
Irgend etwas stimmte da nicht!
***
Tannau, 1471:
Arndts heimlicher Wunsch ging in Erfüllung. Die Zigeuner reisten nicht weiter. In Sichtweite des Dorfes, bachaufwärts, richteten sie ein Lager ein. Arndt hatte dem Schmied die beiden Bruchstücke seiner Sense in die Hand gedrückt, »mäch’s wieder ganz« gesagt und war den Zigeunern schließlich in einigem Abstand gefolgt. Er fühlte keine Gewissensbisse, daß er seine drei Brüder allein auf dem Feld arbeiten ließ. Ohne die Sense konnte er nichts machen, und die Garben zu bündeln und zu schnüren war Sache der Frauen. Damit befaßten Arndt und seine Brüder sich grundsätzlich nicht.
Er war froh, daß die Sense zerbrochen war. Vielleicht war es doch nicht der Teufel gewesen, der den Stein mitten ins Korn gelegt hatte. Vielleicht war es ein gütiger Engel gewesen oder gar eine liebe Fee, die ihm dieses schöne Mädchen im Zigeunerwagen hatte zeigen wollen.
An einen Baum gelehnt, sah Arndt von weitem zu, wie die Fremden das Lager errichteten. Sie bildeten eine Wagenburg, mit den Viehkarren in der Mitte.
Pferde, hatte Arndt gesehen, besaßen sie auch. Die ließen sie einfach, von zwei Jungen bewacht, frei am Ufer laufen, Gras fressen und im Bach saufen.
Es waren schöne Pferde, viel zu schade, um sie vor einen Karren zu spannen. Sie hatten sie im Troß hinter den Wagen mitgeführt.
Niemand achtete auf Arndt, der im Schatten der Rotbuche stand und zusah.
Er wartete darauf, daß das Mädchen aus dem Wagen stieg. Aber er wartete vergebens.
Schließlich kehrte er ins Dorf zurück. Er ging zur Schmiede. »Schon fertig, Hinrich?«
»Sieht’s so aus?« knurrte der Schmied. »Du wirst bis morgen warten müssen. Heute schaffe ich das nicht mehr.«
»Aber ich brauche sie schleunigst! Du weißt doch, daß wir mitten in der Ernte stecken!«
»Ist ja übel! Aber wenn ich mich nicht irre, steckt das ganze Dorf in der Ernte. Sieh dir doch an, was ich alles zu tun habe. Wenn du das nächste Mal deine Sense kaputtmachst, such dir eine bessere Zeit dafür aus. Vielleicht den Winter.«
Arndt brummte etwas Unverständliches und trollte sich heimwärts. Er dachte an das hübsche Zigeunermädchen - und knallte prompt mit dem Kopf gegen die Haustür, weil er gedankenverloren ganz vergessen hatte, daß er sie vielleicht vorher hätte öffnen müssen.
Sein Vater saß am einfachen Holztisch und arbeitete an einer Schnitzerei. »Junge, was hat dir denn die Tür getan, daß du sie einschlagen willst?«
»Ach, nichts«, sagte Arndt. Er konnte seinem Vater nichts von der Zigeunerin erzählen. Erstens war ihm die Lisa vom Zweifelderbauern anverlobt, und es würde bösen Ärger geben, wenn er zwei Mondläufe vor der geplanten Hochzeit noch von einem anderen Mädel schwärmte. Wenn er eine andere Maid verführen wollte, mußte das in aller Stille geschehen. Zweitens war die schöne Prinzessin eben eine Zigeunerin, und sein Vater würde es nicht erlauben, daß er sich mit so einer einließ. Ganz gleich, wie schön sie war.
»Wo hat sich das Pack eingenistet?« fragte der alte Dorfschulze. »Du bist doch hinterhergegangen, nicht? Warum warst du nicht auf dem Feld?«
»Der Eisenschmied-Hinrich repariert meine Sense. Aber die wird wohl erst morgen fertig.«
»Er soll sich beeilen. Das Korn muß in die Scheuer. Zu früh ist’s reif geworden in diesem Jahr. Wir können’s nicht mehr lange stehen lassen, sonst fault es am Halm, wenn der nächste Regen kommt. Und es wird gewaltig regnen. Übermorgen, vielleicht sogar schon morgen. Ich sptir’s im Bein.«
Während er sprach, schabte er mit dem Messer weiter am Holz.
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