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0540 - Der Fluch der Zigeunerin

0540 - Der Fluch der Zigeunerin

Titel: 0540 - Der Fluch der Zigeunerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Mit den Schnitzereien, die er manchmal in der Stadt verkaufte, verdiente er ein paar Heller hinzu. Aufs Feld konnte er mit seinem Holzbein nicht mehr so recht. Die harte Arbeit mußten seine Söhne und die Frauen machen. Der Beinstumpf entzündete sich immer wieder und tat weh. Der Feldscher, der ihm den Unterschenkel damals abschnitt, nachdem eine feindliche Kanonenkugel ihn zertrümmert hatte, war ein Pfuscher gewesen. Er hatte alles falsch gemacht. Und seither fürchtete der Dorfschulze, daß man ihm bald auch noch das Knie abschneiden mußte.
    »Ich werde nachher in den Dorfkrug gehen«, sagte der Schulze. »Wenn die Männer von den Feldern zurückkommen, werde ich sehen, ob wir nicht ein paar Wachen einteilen können, die die Nacht über aufpassen. Ich will nicht, daß dieses Zigeunergesindel uns alle bestiehlt, während wir schlafen. Und vorher hilfst du mir. Ich will mir das Lager selbst ansehen und mit dem Zigeunerfürsten reden. Ich werd’ ihm sagen, daß wir Diebe, die wir erwischen, dem Falkensteyner ausliefern. Der wirft sie ins Verlies zu den Ratten, damit sie in ihrem eigenen Kot ersticken.«
    Arndt nickte. »Gehen wir sofort hin?« fragte er. Die Aussicht, die schöne Zigeunerin dabei doch noch zu erspähen, ließ sein Inneres brennen.
    ***
    Er sah sie auch diesmal nicht. Dafür aber eine alte Frau, deren Worte er nicht verstand…
    Zuvor aber sprach sein Vater mit dem Mann, den er als »Zigeunerfürst« bezeichnet hatte. Es war derselbe, der im Dorf den eseltreibenden Jungen vor dem Zorn des alten Mannes geschützt und trotzdem einen bösen Streit vermieden hatte.
    Arndt hatte jetzt Gelegenheit, den Zigeuner näher zu betrachten. Er war groß und breitschultrig, und seine bunte Kleidung war mit vielen Stickereien verziert. Auf seine Weise war er ähnlich prächtig gekleidet wie der Graf von Falkensteyn. Und doch ließen die beiden Männer sich nicht miteinander vergleichen, obwohl sie sogar im gleichen Alter zu sein schienen und beide einen schwarzen Schnauzbart trugen. Der des Zigeuners war an den Enden aber pfiffig nach oben gebogen. Und der Griff des Messers, das der Zigeuner in einer verzierten Lederscheide trug, war mit funkelnden Edelsteinen besetzt. Es mußte ein kleines Vermögen wert sein. Arndt fragte sich, ob Zigeuner wirklich so reich waren, daß sie sich solche Kostbarkeiten leisten konnten, oder ob das Messer einfach einem Adelsherren gestohlen worden war.
    Zu Arndts Erstaunen verlief die Unterhaltung sehr ruhig. Der. Zigeuner, der sich selbst Romano nannte - seinen Nachnamen konnte Arndt beim besten Willen nicht behalten, so kompliziert klang er -, nahm die Drohungen des Dorfschulzen gelassen hin. Vielmehr erklärte er, daß sich in seiner Sippe geschickte Handwerker befänden -Korbflechter, Kesselflicker und andere, die allerlei nützliche Kleinigkeiten herstellten. Wer kaufen oder flicken lassen wolle, möge herkommen oder die Handwerker in sein Haus einladen. Auch seien die Pferde, die am Bachufer grasten, jung, feurig und wohlfeil. »Und wenn Ihr Musikanten braucht, die Euch zum Feste aufspielen mögen - nun, hier sind wir, stets zu Euren Diensten.«
    »Was für ein Fest?« fragte der Schulze erstaunt.
    »Ach, man sagte uns im Nachbardorf, Euer Sohn werde Hochzeit feiern.«
    »Das ist aber erst in zwei Monden!« entfuhr es dem Schulzen. Er wechselte einen schnellen Blick mit seinem Ältesten.
    »Nun, da kann man wohl nichts machen. So lange werden wir freilich nicht in dieser Gegend weilen. Aber wir geben selbst am morgigen Abend ein Fest«, versprach der Zigeuner, »und wir laden Euch herzlich gerne ein, daran teilzunehmen und fröhlich mit uns zu tanzen und zu singen.«
    »Wir werden’s uns überlegen«, knurrte der Schulze abweisend. Dann stakste er wieder davon, auf den Arm seines Sohnes gestützt. Das Bein machte ihm mehr zu schaffen denn je.
    Da trat ihnen die alte Frau entgegen. Sie mochte sechzig Winter zählen, ihr Gesicht war faltig, ihr Gewand war schwarz. Und die Stickereien darauf… »Gottseibeiuns«, murmelte der Schulze und bekreuzigte sich mehrmals.
    Die Alte war stehengeblieben. Sie sah den Schulzen an. »Du wirst nicht nur noch ein Stück von deinem Bein verlieren, ehe der Winter kommt. Du wirst auch den nächsten Sommer nicht mehr erleben, wenn es nicht jemand heilt.«
    »Hä?« machte der Schulze verblüfft.
    »Komm zu mir«, sagte die Alte, »in meinen Wagen. Ich weiß Kräuter und Salben, deinen Schmerz zu lindern und das Böse aus der Wunde zu verbannen.

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