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0542 - Die Stunde des Zentauren

Titel: 0542 - Die Stunde des Zentauren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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noch durch einen fernen schmalen Spalt herab in die schwarzgraue Tiefe.
    Das Diskusschiff setzte hart auf, und Atlan wurde in seinen Kontursessel gestaucht. Sekundenlang hemmte der körperliche Schmerz seinen geistigen Widerstand.
    Und dann normalisierten sich die Geräusche im Schiff wieder.
    Die Kraftwerksreaktoren arbeiteten wie immer und der Sekundenzeiger des Chronographen bewegte sich mit gewohnter Schnelligkeit.
    Ras Tschubai ließ Kosum los und wandte sich nach Atlan um.
    Sein schwarzes Gesicht war schweißbedeckt, und sein Lächeln wirkte verzerrt.
    „Was bedeutet das?" fragte er. „Ich orte kein Hemmfeld mehr, aber das beruhigt mich nicht. Wenn wir angepaßt wären, könnte ich es nämlich auch nicht mehr orten."
    „Ich weiß es nicht, Ras", erklärte Atlan tonlos. „Entweder hat die Ablaufhemmung aufgehört oder wir sind endgültig angepaßt. In beiden Fällen würden wir alles für normal halten."
    Er öffnete die Anschnallgurte, stand auf und blickte durch die Steuerkanzel zu dem verwachsenen Lichtfleck, der hoch über der GEVARI schimmerte.
    „Ich weiß es nicht", wiederholte er verstört.
    Takvorian hatte das Gefühl, als würde der vor wenigen Minuten scheinbar zu Stein erstarrte Pferderumpf wieder so geschmeidig werden wie sein unter der Maske verborgener humanoider Oberkörper.
    Doch als Movator, der selber mit den Zeitabläufen manipulieren konnte, wußte der Zentaur, daß es umgekehrt war.
    Nicht der Pferderumpf kehrte zur normalen Ablaufgeschwindigkeit zurück, sondern der bis dahin erfolgreich widerstrebende Oberkörper wurde der Ablaufhemmung unterworfen.
    Takvorian stöhnte.
    Im nächsten Moment lächelte das kindlich wirkende Gesicht unter der Pferdekopfmaske verzückt. Die zarten Schäfchenwolken am azurblauen Himmel trieben langsam dahin.
    Die Luft war warm und duftete nach sonnenbeschienenem Gras und blühenden Kräutern.
    Der Zentaur lief in weiten mühelosen Sprüngen über die Wiesenlandschaft. Seine Hufe verursachten auf der watteweichen Grasnarbe nicht das geringste Geräusch. Es kam Takvorian vor, als hätte sein Gewicht sich um mindestens drei Viertel verringert.
    Plötzlich stand der Zyklop vor ihm, kaum zwanzig Meter entfernt. Sein Auge glomm düster in der tiefen Höhle; die riesigen hornhautbedeckten Hände streckten sich vor.
    Takvorians Gedanken tanzten einen irrsinnigen Wirbel.
    Sein Instinkt befahl ihm, anzuhalten und zur Seite auszuweichen; die Vernunft dagegen sagte ihm, daß er dann mit Sicherheit ein Opfer des Giganten würde.
    Der Zentaur streckte seinen Pferdeleib und raste auf den Zyklopen zu. Dicht vor der geöffneten Linken des Riesen schnellte er sich hoch, übersprang Hand und Arm und jagte an dem verblüfften Monstrum vorbei.
    Hinter ihm erscholl ein unartikulierter Schrei, etwas krachte - und kurz darauf schlug ein ausgerissener Baum neben dem Zentauren ein.
    Takvorian strengte sich noch stärker an, um dem wütenden Zyklopen zu entkommen. Aber er hatte mit einemmal das Gefühl, als käme er nur zentimeterweise von der Stelle. Er sah sich um und bemerkte, daß der Gigant den Abstand zusehends verringerte. Takvorian wollte schneller werden, doch wenn er sprang, schwebte er nur langsam wieder herab, so daß wertvolle Zeit verstrich, bevor er sich wieder abstoßen konnte.
    Als der Zyklop nur noch wenige Meter hinter ihm war, versuchte Takvorian sich einzureden, er träumte und brauchte sich nur entsprechend anzustrengen, um aus dem Alptraum zu erwachen.
    Aber es gelang ihm nicht.
    Und wenig später packte ihn die riesige Hand des Zyklopen und riß ihn hoch.
    Knackend zerbrach die Wirbelsäule - und nach einem grellen Blitz sahen Takvorians Augen nur noch unergründliche Finsternis...
    Als er wieder zu sich kam, zitterte er am ganzen Körper. Die Flanken des Pferderumpfes hoben und senkten sich in schnellem Rhythmus, und der Schweiß rann klebrig die Beine hinab. Es dauerte eine Weile, bis das Gehirn des Menschenkörpers die Gewalt über beide Komponenten zurückgewonnen hatte.
    Takvorian sah sich um.
    Toronar Kasonn hielt einen Knochenschinken in der rechten, und seine Zähne hatten sich in das Fleisch gegraben. Doch er biß nicht ab. Die Augenlider des Ertrusers hatten sich zur Hälfte geschlossen und schienen ebenfalls in ihrer Haltung erstarrt zu sein.
    Der Zentaur sah zu Atlan.
    Atlan stand in der Steuerkanzel und blickte durch das transparente Material nach oben zu dem winzigen Lichtfleck, der aus dieser Tiefe von der Schluchtöffnung zu sehen war. Der

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