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0542 - Luzifers Welt

0542 - Luzifers Welt

Titel: 0542 - Luzifers Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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das möglich? So etwas gab es doch nur in der Phantasie von Buchoder Filmautoren!
    Und diese Stimme…
    Irgendwie hörte Carmencita Worte, und irgendwie verstand sie sie auch. Dabei war sie sicher, daß der Engel in einer völlig fremden Sprache mit ihr redete. Wie aber war es möglich, daß sie einander verstehen konnten?
    »Von der Erde«, wiederholte er. »Erde… Gaia? Terra? Ja, das muß es sein. Von dort also…«
    »Und wer bist du?« stellte Carmencita ihre Frage erneut. »Wo sind wir hier? Was für… eine Welt ist dies?«
    Er lachte leise. Das Lodern in seinen Augen wurde sekundenlang stärker.
    »Ich bin Lamyron. Und das hier ist Gash’ronn. Es ist Luzifers Welt. Es ist die Hölle. Und in ihr sind wir beide gefangen.«
    ***
    Mißmutig kehrte Gryf in die Hütte zurück.
    Er fragte sich, wo Carmencita sich jetzt befinden konnte. Es gab unzählige Welten, in die es sie verschlagen haben konnte. Selbst wenn sie an einem ande ren Ort auf der Erde gelandet war, waren die verschiedenen Möglichkeiten kaum abzuschätzen.
    Niemand konnte sagen, wie viele dieser Regenbogenblumen es überhaupt gab, wo sie sich befanden. Vielleicht gab es ein Dutzend dieser »Kolonien«, vielleicht ein paar tausend oder hunderttausend.
    Daß sie bislang niemand entdeckt hatte, lag daran, daß sie sich normalerweise an versteckten oder nahezu unzugänglichen Orten befanden. Wie am Ende des tiefen Kellerlabyrinths vom Château Montagne oder in der Dimensionsfalte unter Ted Ewigks Villa in Rom, wo sich auch ein Arsenal der DYNASTIE DER EWIGEN befand…
    Ohne einen Anhaltspunkt war es praktisch unmöglich, Carmencita irgendwo zu finden. Der einzige Anhaltspunkt war sie selbst, und wenn sie inzwischen zu weit von den Regenbogenblumen entfernt war, galt auch das nicht mehr.
    Gryf murmelte eine Verwünschung. Er fragte sich, was er noch tun konnte.
    Es half nicht einmal, Zamorra oder Nicole herzubitten, damit ihr Amulett ihnen einen Blick in die Vergangenheit gestattete. Was geschehen war, wußte Gryf auch so. Und wohin Carmencita verschwunden war, konnte auch Merlins Stern nicht zeigen, weil das Amulett nicht in Carmencitas Geist hineinschauen konnte, in die Gedanken, mit denen sie sich befaßt hatte, als sie verschwand.
    Gedanken, die vielleicht von den Blumen als Zielvorstellung erfaßt worden waren… Er setzte neues Kaffeewasser auf und beschleunigte den Erhitzungsvorgang mit seiner Druiden-Kraft. Dann gab er sich für ein paar Minuten dem Genuß hin.
    Im Château Montagne waren zwar Getränke angeboten worden, aber niemand, nicht einmal Gryf selbst, hatte daran gedacht, daß er vielleicht an einem »Frühstückskaffee« interessiert sei.
    Er sah zu dem Lager hinüber, wo Carmencita und er sich gestern abend und fast die gesamte Nacht hindurch auf den übereinanderliegenden Fellen geliebt hatten.
    Da lag das Buch, in dem sie gelesen hatte, krampfhaft bemüht, Gryf weitgehend zu ignorieren, weil er schließlich die Schuld daran trug, daß es hier keine Errungenschaften der Zivilisation gab.
    Das Buch war noch aufgeklappt. Es lag mit dem Rücken nach oben auf den Fellen.
    Vielleicht hatte sie beabsichtigt, später weiterzulesen.
    Er hob das Buch auf…
    Und dann erkannte er, was das für ein Schinken war.
    Ein Fantasy-Roman!
    Ein Buch eines bekannten amerikanischen Schriftstellers, den Gryf nie zu Ende gelesen hatte. Denn der Roman ermüdete seine Leser mit endlosen Beschreibungen und deren ständigen Wiederholungen. Eine brauchbare, spannende Handlung ließ er dabei leider vermissen; der Lektor hatte wohl versäumt, das Werk um etwa 90 Prozent zu kürzen und damit lesbar zu machen. Aber da die amerikanischen Verleger nach Wörtern bezahlten und nicht immer nach Qualität, versuchte nahezu jeder, sein Werk endlos zu strecken. Das brachte mehr Geld ohne Rücksicht darauf, ob das dem Roman nützte oder schadete.
    Aufgeschlagen war das Buch bei einer Landschaftsbeschreibung. Eine Felsenwelt, in der fleischfressende Pflanzen blühten; karg, düster, bedrohlich. Mit diesen zehn Wörtern ließ sie sich durchaus anschaulich beschreiben; der Autor glaubte dafür mindestens fünfzehn Seiten füllen und überdies die Geduld des Lesers strapazieren zu müssen.
    Sollte Carmencita etwa …
    Möglich war es.
    Vielleicht hatte sie sich unterbewußt so intensiv mit dieser Beschreibung beschäftigt, daß sie sich im Bereich der Regenbogenblumen daran erinnert hatte. Es konnte ja sein, daß ausgerechnet ihr die epische Überbreite der Schilderung zusagte.

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