0542 - Luzifers Welt
Spuren.«
Diese spärliche Auskunft half ihr auch nicht weiter.
»Warum können wir diese Welt nicht mehr verlassen?«
»Weil die Blumen es nicht gestatten. Sie funktionieren nur in einer Richtung, nicht umgekehrt.«
Langsam schüttelte sie den Kopf. Sie wollte es nicht wahrhaben. Sie war in einem Alptraum gefangen, der kein Ende mehr nahm.
Sie wollte zurück. Weg von hier.
Und auch weg von Gryf mit seinen unheimlichen Blumen.
Durch ihn war sie in diese Lage geraten, und sie wollte niemals wieder etwas mit ihm zu tun haben!
Das bräunlichgrüne Moos fiel ihr wieder auf.
War die Fläche, die es bedeckte, eben nicht wesentlich kleiner gewesen? Oder erschien es ihr in dem bizarren Zwielicht unter diesem dunklen, blitzezuckenden Himmel nur so?
»Die beiden anderen Menschen, die hierherkamen…« sagte sie. »Die Frau ist geflohen? Warum floh sie? Vor dir? Oder vor solchen Schrecken wie diesen unheimlichen Steinen?«
»Nicht vor mir. Es gibt noch gefährlichere Kreaturen in Gash’ronn als die Steine. Sie sind harmlos. Ich konnte dich recht leicht vor ihnen retten. Zu ebener Erde können sie sich sehr schnell bewegen. Sie… springen dazu durch Zeit und Raum. Aber sie können nur in geringem Maße in die Höhe springen. So hoch, wie ich fliegen kann, kommen sie nicht. Deshalb hast du überlebt. Es gibt Schlimmeres.«
Das Moos schien sich tatsächlich erschreckend schnell auszudehnen.
Carmencita war jetzt sicher, daß es vorhin noch weniger als die Hälfte der jetzigen Fläche bedeckt hatte.
Sie wich ein paar Schritte zurück.
»Was ist mit dem Mann? Haben die Steine ihn umgebracht? Konntest du ihn nicht retten?«
»Ich konnte es nicht. Es waren nicht die Steine. Ich kann nicht immer eingreifen. Und manchmal will ich es auch nicht. Ich verspürte nicht das Bedürfnis dazu.«
»Aber bei der anderen Frau und bei mir?« stieß sie hervor. »Weil wir Frauen sind? Weil du vielleicht glaubst, daß du uns…«
Moos berührte ihre Füße!
Und es wuchs blitzschnell an den Schuhen und an ihren Beinen empor!
Der Engel riß das Schwert hoch, ließ es durch die Luft blitzen und schlug damit auf die Moosfläche ein.
Die Klinge drang tief in den Boden.
Das Moos schrie !
Es ließ von Carmencita ab, zog sich zurück.
Noch einige Male schlug Lamyron darauf ein, trennte eine ganze Fläche ab.
Das Moos schrie immer noch. Die entsetzlichen, schrillen Laute gingen Carmencita durch Mark und Bein.
Das abgetrennte Moos begann zu vertrocknen. Innerhalb weniger Augenblicke zerfiel es zu Staub.
»Nun habe ich dich ein zweites Mal gerettet«, sagte Lamyron. »Das Mördermoos ist schneller, als du glaubst. Aber es erträgt keine Schmerzen. Halte deine Augen offen und achte auf die Gefahren, die deiner harren. Wer unvorsichtig ist, lebt hier nicht lange.«
Sie rang sich ein ersticktes »Danke« ab.
Dann betrachtete sie ihre Beine, von denen das Moos abgefallen war wie Asche.
Hatte sie vorher nur Kratzer und Schrammen von den Zähnen der fressenden Steine davongetragen, so war die Haut jetzt gerötet!
Und das Material ihrer Schuhe war porös und brüchig geworden!
»Wenn du willst, zeige ich dir die Überreste des Mannes, dem ich nicht half. Vielleicht begreifst du dann, in welch großer Gefahr du dich hier befindest.«
»Ich will nicht«, sagte sie mit zitternder, schriller Stimme. »Ich wollte, du hättest ihm so geholfen wie mir.«
»Das ist nicht meine Aufgabe«, sagte er und breitete seine Schwingen aus.
Er wird doch wohl nicht einfach davonfliegen und mich hier allein zurücklassen? durchfuhr es sie.
Die Angst, schutzlos den unfaßbaren Schrecken dieser Höllenwelt ausgesetzt zu sein, sprang sie an wie ein wildes Tier. Ihr Herz wurde wie von einer stählernen Faust zusammengepreßt.
»Warte!« schrie sie auf. »Du kannst mich nicht einfach allein zurücklassen!«
Er konnte.
***
Gryf ap Llandrysgryf kam sich fast ein wenig verspinnert vor, als er versuchte, sich die im Roman beschriebene Landschaft möglichst deutlich vorzustellen. Er rechnete nicht einmal wirklich damit, daß es funktionierte. Aber für den Fall der Fälle konzentrierte ersieh auch darauf, direkt nach dem Ortswechsel vielleicht eine lebensbedrohende Gefahr abwehren zu müssen.
Und es funktionierte!
Von einem Augenblick zum anderen befand er sich in einer völlig anderen Landschaft wieder; in der gleichen, die auch Carmencita vor sich gesehen hatte, als es sie nach Gash’ronn verschlagen hatte.
Blitzschnell löste er sich aus dem Kreis der
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