0543 - Wen die Satans-Spinne holt
obgleich es ihnen vorn und hinten am Geld fehlte. Selbst im Studentenwohnheim hätten sie mehr bezahlen müssen als hier.
Lori Lorenzo studierte Biologie und Verhaltensforschung, Tina Cazzi studierte Zoologie und Verhaltensforschung, und Raffaela Cravero studierte Männer… und natürlich auch Verhaltensforschung.
Draußen war es längst dunkel geworden. In der Wohnküche brannte eine funzelige Zuwenigwattbirne in einer Lampe, die schon zu Vorkriegszeiten museumsreif gewesen war. Ein gutes Dutzend munter flackernder Kerzen sorgte für Restlichtverstärkung.
Lori und Tina saßen am Computertisch, inmitten eines wilden Chaos aus Notizen, Büchern und Zeitschriften. Gemeinsam arbeiteten die beiden Studentinnen an einer Arbeit über die Unterschiede im spezifischen Jagd - und Beuteverhalten südeuropäischer Netz-, Lauf- und Sprungspinnen unter Berücksichtigung wechselnder Umwelteinflüsse im innerstädtischen Bereich der letzten 25 Jahre.
Zwischen dem Durcheinander aus Papier standen zwei Gläser und eine angebrochene Lambrusco-Flasche.
Der Bildschirmschoner des Computermonitors zeigte eine walnußgroße Zeichentrickspinne, die auf und ab krabbelte. Jedesmal, wenn sie den Bildschirmrand erreichte, brach sie in per Sprechblase dargestelltes homerisches Gelächter aus.
Nach vier Nächten konzentrierter geistiger Schwerstarbeit hatten die beiden Studentinnen inzwischen gut 30 Seiten Text zustandebekommcn, einschließlich Querverweisen, Fußnotentexten und Quellennachweis. Ihr erklärtes Ziel bestand darin, eine mindestens hundertseitige Arbeit zu erstellen und per Referat in einer doppelstündigen Seminarsitzung ihre Kommilitonen zu langweilen und den Dozenten in einen mittleren Grad der Verzweiflung zu treiben.
Raffaela, weniger arbeitswütig als ihre beiden Hausgenossinnen, war an diesem Referat nicht beteiligt. Sie hatte bereits anklingen lassen, daß sie anschließend versuchen wolle, den armen Dr. Battaglia auf ihre Weise wieder aufzumuntern.
Während Lori in einem Fachbuch blätterte, gab Tina neuen Text ein. Dann lehnte sie sich wieder auf dem Stuhl zurück und wartete darauf, daß die Bildschirmanzeige erneut zu der lachenden Spinne wechselte.
Sie paßte prachtvoll zum Referatsthema.
Die schmale Holzstiege knarrte entsetzlich; Raffaela tauchte aus der oberen Etage auf und steuerte den Vorratsschrank an. Mit gezieltem Griff fischte sie den Orangensaft und die Flasche Grappa hervor.
Mit einem heftigen Hüftschwung schloß sie die Tür wieder. Es knallte.
Lori und Tina sahen sich um.
»Uns sind die Getränke ausgegangen«, sagte Raffaela entschuldigend und wedelte mit der Grappaflasche. »Scusi, ich wollte euch nicht stören…«
Lori hob die Brauen.
»Meinst du nicht, daß du dir wenigstens etwas hättest anziehen sollen? Was, wenn wir hier unten Besuch gehabt hätten?«
»Dann hätte der Besuch auch mal was Erbaulicheres zu sehen bekommen als eure Spinnen-Unterlagen«, behauptete Raffaela. Sie war nackt wie Urmütterchen Eva vor ihrem Rendezvous mit der Schlange. »Außerdem hatte sich das nicht gelohnt. Mein amoroso würde mir die Klamotten gleich doch wieder abrupfen…«
Tina grinste spitzbübisch.
»Warum ist dein amoroso dann nicht runtergekommen, um die Getränke zu holen? Selbst ist der Mann! Und bei dem würde es uns bestimmt nicht stören, wenn er aufs Anziehen verzichtet hätte. Nicht, Lori?«
Die nickte. »Schick Francesco doch mal runter, damit wir ihn bestaunen dürfen. Oder sollen wir raufkommen in dein Zimmer?«
Raffaela hob die Brauen. »Wieso Francesco?«
»Gestern hast du ihn doch unter diesem Namen vorgestellt…?«
»Gestern! Na und? Das liegt länger zurück als die Steinzeit! Pierpaolo heißt der Junge. Und er wartet da oben sehnsüchtig auf mich…«
»He!« stellte Tina fest. »Er wartet? Komm, Lori, wir nehmen Raffaela als Geisel. Dann muß er herunter kommen, um sie zu befreien - hoffentlich als nackter Held…«
»Höchstens als zorniger Rächer«, ertönte die Stimme von oben. »Weiber! Habt ihr nichts anderes als Sex im Kopf?«
Tina erhob sich. Sie hastete zur Treppe, um nach oben zu schielen.
Aber Raffaela war schneller und stieg als Sichtschutz nach oben. Auf halber Höhe drehte sie sich um.
»Eure Begeisterung für wissenschaftliche Arbeit in Ehren, ragazze«, sagte sie. »Aber findet ihr nicht, daß ihr es et was übertreibt?«
»Was meinst du damit?« fragte Tina.
»Na, wenn ihr schon über Spinnen schreibt, dann müßt ihr doch nicht das Haus mit
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