0545 - Der Schlangen-Altar
und hilflos ausgestreckt auf einem roten Samttuch lag, das die steinerne Härte der Altarfläche unter ihr nicht dämpfte.
Immer näher kam das Ungeheuer…
Alles in Teri drängte danach, aufzuspringen und zu flüchten. Aber ihre Bewegungen waren viel zu langsam und schwerfällig. Ihr war, als würde sie in einer zähen, sirupartigen Masse stecken, in einem Sumpf, der ihr jede Bewegung bis fast zur erzwungenen Reglosigkeit erschwerte.
Keine Chance, den Schlangen zu entkommen. Weder den kleinen noch der großen, die jetzt auf das Samttuch hinaufkroch.
Die Druidin stöhnte auf. Sie ahnte, daß sie verloren war.
Wer wußte denn schon, wo sie sich gerade befand? Brent Renshaw hatte sie an Ssacah verraten. Welche Rolle Torre Gerret dabei spielte, konnte sie nur raten. Aber weder Gerret noch Panshurab würden zulassen, daß ihr jemand zur Hilfe kam.
Telepathisch rufen und Gryf ansprechen, die Peters-Zwillinge, den Wolf Fenrir, oder gar Merlin selbst - selbst das war ihr durch die Blockade verwehrt.
Die Falle war perfekt.
Aber sie wollte sich damit einfach nicht abfinden. Es mußte einen Ausweg geben. Das war bisher immer so gewesen. Es ging nur darum, diesen Ausweg rechtzeitig zu finden.
Die brennenden Kerzen…
Wenn sie eine davon ergreifen und gegen das riesige Zauberbuch mit den dämonischen Schriftzeichen stoßen könnte, das neben ihr in den Klauen der steinernen Dämonenfigur aufragte? Das Material mochte Feuer fangen, und Feuer war etwas, das alle Schwarzmagier fürchteten…
Sie mußte es versuchen! Es war ihre einzige Chance.
Sie mußte nur eine der Kerzen in die Hand bekommen und sie gegen das Buch fallen lassen, das nicht aus Stein, sondern aus etwas gemacht war, das Teri für Menschenhaut hielt…
Da gab es nur noch ein Problem. Die Kerzen waren zwar in Reichweite ihrer Hände, zumindest, wenn sie es schaffte, die Arme auszustrecken. Aber in ihrer momentanen Verfassung würde es Teri nur sehr langsam schaffen, sie in die gräulichen Seiten des Buches zu stoßen. Die Schlangen würden sie vorher aufhalten und ihr verzweifeltes Unterfangen zunichte machen!
Unwillkürlich stöhnte Teri auf.
Die Panshurab-Schlange befand sich jetzt mit dem größten Teil ihres Körpers auf dem Samt. Sie kroch näher. Die Druidin spürte die glatten Hautschuppen der übergroßen Kobra auf ihrer Haut.
Der Schlangenmann schob sich über ihren Körper.
Da wußte sie, daß ihr auf keinen Fall mehr die Zeit blieb, eine der Kerzen zu erreichen.
Sie verkrampfte sich innerlich. Nie zuvor hatte sie sich in einer derart ausweglosen Situation befunden.
Wenn Panshurab sie mit dem Ssacah-Keim infizierte, würde sie zu einem zombiehaften Wesen werden. Dann waren ihre bisherigen Freunde ihre erbittersten Feinde!
Sie mußte an Sara Moon denken, Merlins Tochter, die jetzt irgendwo in der Vergangenheit des Silbermondes verschollen war. Auch Sara war einmal von einem Ssacah-Ableger gebissen und infiziert worden. Nicht einmal der mächtige Merlin hatte ihr helfen können. Nur jener geheimnisvollen, zwielichtigen Wesenheit, die sich »Shirona« nannte, war es gelungen, nachdem sie mühelos die magischen Barrieren um Merlins Burg durchbrochen und in dieser unsichtbaren Festung Caermardhin aufgetaucht war, Sara gegen deren Willen wieder vom Ssacah-Keim zu befreien. [9]
Ob jene Shirona ihre Hilfe auch der Silbermond-Druidin angedeihen lassen würde, war fraglich. Von Zamorra wußte Teri, daß es in letzter Zeit mit Shirona immer wieder schreckliche Auseinandersetzungen gegeben hatte. Wer oder was auch immer Shirona war - zumindest schien sie der Zamorra-Crew derzeit nicht gerade freundschaftlich gesonnen zu sein. Zweimal hatte sie schon versucht, Zamorras Amulett zu zerstören.
Und noch etwas erschien Teri im Nachhinein verdächtig. Laut Saras damaligem Bericht hatte Shirona sie genau in dem Augenblick vom Ssacah-Keim befreit, als Mansur Panshurab aus der Ferne den Befehl gegeben hatte, alle Aktivitäten des Kobra-Kultes in Schottland, in England überhaupt, unverzüglich einzustellen und alles Geschehene rückgängig zu machen.
Wobei nur Mansur Panshurab selbst wußte, daß Stygia ihn zu diesem Befehl gezwungen hatte…
Aber Teri Rheken kam diese Gleichzeitigkeit plötzlich yerdächtig vor. Konnte das ein Zufall sein? Oder gehörte auch Shirona in irgendeiner Form zum Ssacah-Kult?
Sie wunderte sich, daß sie überhaupt in der Lage war, jetzt an diese Dinge zu denken. Jetzt, wo es um ihre Existenz ging.
Der kantige Kobra-Schädel
Weitere Kostenlose Bücher