0545 - Der Schlangen-Altar
würde sie nicht ganz so werden wie er. Sie würde nicht seine Machtfülle und Autorität besitzen. Und damit würde sie Panshurab niemals seinen Platz an der Spitze des Kultes streitig machen können. Dieses Risiko ging er nicht ein.
Aber als seine rechte Hand konnte sie ihm vielleicht ganz nützlich werden, vor allem mit ihren überragenden Para-Fähigkeiten.
Mansur Panshurab trat vor den Altar, auf dem sie lag.
Er verwandelte sich.
Was am Abend zuvor in jenem Pub sehr schnell vonstatten gegangen war, dafür ließ er sich jetzt Zeit. Sein Körper formte sich allmählich um, sank bedächtig auf den Steinboden nieder .
Etwas fehlt, dachte er bedauernd. Die Gesänge und die Andacht anderer Ssacah-Diener, die diesem Ritual als Zuschauer beiwohnen.
Aber diese Zuschauer gab es hier nicht. Nur die Messing-Kobras, die den Altarstein umringten.
Jetzt war Mansur Panshurab zu einer Kobra geworden. Die gewaltige Schlange kroch auf den Altarstein zu, auf der Teri Rheken vor dem Zauberbuch des grünen Steindämons lag.
Die Panshurab-Kobra kroch über den roten Samt und berührte die goldhaarige Druidin…
***
»Wenn dieses Telegramm von Gerret stammt und er Teri tatsächlich in seiner Gewalt hat, müssen wir erst recht nach London!« fuhr Nicole auf. »Und zwar lieber vorgestern als heute. Ich rufe in Lyon an und buche den nächstmöglichen Flug nach London. Regenbogenblumen haben wir dort ja leider noch nicht, sonst wären es nur ein paar Schritte bis zum Ziel…«
Sie sprang auf und ging zu Zamorras hufeisenförmig geschwungenem Schreibtisch hinüber, auf dem die Telefonanlage installiert war.
»Mal langsam«, mahnte der Parapsychologe. »Findest du nicht, daß wir erst einmal einen Plan entwickeln sollten?«
»Bis dahin ist es vielleicht zu spät. Pläne schmieden können wir noch im Flugzeug. Wenn wir zögern, könnte es sein, daß uns das letzte Ticket gerade vor der Nase wegverkauft wird und wir bis morgen warten müssen, bis in einem Flieger wieder zwei Plätze frei werden! In der Zwischenzeit kann Teri schon ermordet worden sein! Hast du vergessen, wie skrupellos Gerret ist und wie wenig ihm ein Menschenleben bedeutet?«
Sie hielt den Hörer schon in der Hand und drückte auf die Direktwahltaste. Während der automatische Wählvorgang ablief, sah sie Zamorra stirnrunzelnd an.
»Chef, seit ein paar Minuten habe ich eine furchtbare Angst um Teri, die ich mir beim besten Willen nicht erklären kann. Und diese verdammte, häßliche Angst wird von Minute zu Minute größer und frißt mich auf! Ich weiß nicht, woher ich’s weiß, aber ich bin mir sicher, daß Teri stirbt, wenn wir nichts tun…«
Wenn sie Zamorra »Chef« nannte, wurde es sehr ernst. Ihre Angst um die Freundin nahm er ihr ungeprüft ab. Er berührte das Telegramm mit den Fingerspitzen. Hatte dieses Stück Papier vielleicht in Nicole diese teuflische Angst ausgelöst? War es auf irgendeine Weise präpariert werden?
Doch er verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Schwarze Magie gelangte nicht durch die Abschirmung des Châteaus. Außerdem hatte der Absender kaum eine Möglichkeit, das Empfänger-Papier magisch zu präparieren. Dazu mußte er schon ein ziemlich mächtiger, starker Dämon sein, der über eine Menge Tricks und Fähigkeiten verfügte, oder - er befand sich in unmittelbarer Nähe. Unten im Dorf beim Posthalter, um diesen zu hypnotisieren und ihm das Papier direkt in die Hand zu drücken.
Aber einem Torre Gerret traute Zamorra das nicht zu. Der griff nicht zu solchen Mitteln. Es war schon erstaunlich und sprach eigentlich gegen ihn, daß er versuchte, Zamorra eine so offenkundige Falle zu stellen. Es hätte eher zu ihm gepaßt, bei Zamorras nächster Aktion im entscheidenden Moment wieder einmal Polizei und Justiz gegen ihn aufzubringen. Meistens tat er das, indem er sich als leitender Mitarbeiter von Interpol ausgab und Akten von ungeklärten Todesfällen auf den Tisch legte, mit denen Zamorra zu tun gehabt hatte.
Natürlich ungeklärt. Wer schrieb schon Todesursache: Schwarze Magie in eine Polizeiakte?
Vor ein paar Monaten war er auf eine andere Weise aktiv geworden. Da hatte er als Agent des amerikanischen Geheimdienstes NSA-National Security Agency die Fäden gezogen und versucht, über Robert Tendyke Zamorra in eine tödliche Falle zu locken. [8]
Solche Aktionen paßten zu ihm. Aber nicht, Teri Rheken als Geisel zu nehmen.
Vielleicht steckte noch etwas ganz anderes dahinter?
Es konnte nicht schaden, wachsam die Augen
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