0546 - Ihr Traum vom Reich des Schreckens
Land und ging weiter.
Bis zu dem Zeitpunkt, als sie in dem Wolkenwirbel eine Bewegung sah, eine menschliche Gestalt tauchte auf.
Vier Steine standen vor ihr, die einen Halbkreis bildeten. Über einem Stein kam die Gestalt zur Ruhe, stand plötzlich.
Auch ihre ausgebreiteten Arme sanken nach unten und lehnten sich gegen den Körper.
So blieb sie stehen.
Hinter ihr bewegte sich das Gebilde aus dunklen und gelblich schimmernden Wolkenformationen. Davor zeichnete sie sich sehr gut ab, so daß Wendy erkennen konnte, um wen es sich handelte.
Von der Statur her kannte sie die Gestalt. Sie hatte sie schon gesehen, nicht in den Träumen, dafür in der Realität.
Er war zu ihr in das Geschäft gekommen und hatte einen Strauß Rosen bestellt.
Ja, das war er!
Oben auf der Plattform hielt sich das Engelsgesicht auf. Der Schönling, dessen Gesichtsfarbe in einem schwachen Blutstrom schimmerte. Er kehrte in ihren Träumen wieder.
Als Wendy dies bewußt geworden war, überkam sie noch einmal ein gewaltiger Schub an Angst. Er preßte sie regelrecht zusammen und machte ihr das Atmen schwer.
In ihren Träumen ist es ihr gelungen, einen Ausflug in eine andere Welt zu machen. Vielleicht sogar tief in die Vergangenheit, in der Furcht und Schrecken regierten.
»Nein, nicht!« flüsterte sie im Schlaf. »Bitte, ich will nicht. Tu mir nichts, ich…«
Bisher hatte die Schlafende noch auf dem Rücken gelegen. Nun wälzte sie sich unruhig von einer Seite auf die andere. Das Traumbild verschwand langsam. Wendy kam es vor, als würde jemand ein Dia langsam aus dem Projektor ziehen.
Aus, vorbei…
Sie schlug die Augen auf, noch angefüllt mit der Erinnerung an das Geträumte.
Wo waren die Steine? Wo stand das Engelsgesicht?
Sie sah beides nicht mehr. Auch die Wolken waren verschwunden.
Dafür erkannte sie über sich den blaß wirkenden und rechteckigen Ausschnitt der Zimmerdecke.
Wendy stand noch zu sehr unter dem starken Erlebnis, als daß sie sofort begriffen hätte. Sie atmete schwer, die Glieder schienen mit Blei gefüllt zu sein, und sie lag wieder auf dem Rücken. Innerlich besaß sie nicht die Kraft, sich herumzuwälzen. Das im Traum erlebte Geschehen hatte seine Fesseln um sie gelegt.
Ihr Herz schlug noch immer schneller als gewöhnlich. Die Kehle kam ihr ausgetrocknet vor, als hätte jemand Sand hineingeschüttet.
Die Augen brannten wie unter starker Sonneneinstrahlung. Alles war anders geworden als vor dem Traum.
Nur allmählich drang die Normalität zu ihr durch. Wendy hörte durch das gekippte Fenster die Straßengeräusche.
Die Stimmen, das Rollen der Autoräder, hin und wieder ein kurzes Hupsignal, sogar Musik.
Sie lächelte. Es tat ihr einfach gut, diese Dinge zu hören. Denn sie wußte nun, daß sie das normale Leben zurückhatte. Der Traum war ein Traum geblieben und keine Realität. Das Schlimme lag endlich hinter ihr, was ihr sehr half.
Wie lange sie gelegen und geträumt hatte, konnte sie nicht sagen, da sie vor dem Einschlafen nicht auf die Uhr geschaut hatte. Sicherlich war eine Stunde vergangen.
Aber es hatte sich etwas verändert. Wendy konnte nicht genau sagen, worum es sich handelte, es war nicht zu fassen, nicht zu greifen und zu erklären.
Sie setzte sich hin und wunderte sich darüber, wie leicht es ihr fiel.
Alles Schwere, auch die Angst, war von ihr abgefallen. Auf dem Bettrand blieb sie hocken, rieb ihre Augen und sah, daß die Sonne kaum mehr in den Raum schien.
Wenn sie so stand, dann war der Nachmittag vorbei, der frühe Abend meldete sich.
Wendy stand auf. Ihre Knie zitterten noch ein wenig, als sie zum Fenster schritt und auf die Straße schaute. Dort hatte sich nichts verändert. Das Leben lief normal ab. Auch den Schönling konnte sie nicht entdecken und schalt sich selbst eine Närrin, daß sie überhaupt versucht hatte, nach ihm Ausschau zu halten.
Es war eine Gestalt aus dem Traum, wobei Wendy hoffte, daß es auch so bleiben würde. Dieser Schönling durfte nie mehr zurück in ihr Leben treten, nie mehr!
Heftig drehte sie sich um, wollte in die Küche, um etwas zu trinken, als sie das Geräusch hörte.
Also doch! Ihre Ahnung war schon korrekt gewesen. Etwas hatte sich verändert.
Sie lauschte dem Geräusch. Dabei konnte sie nicht sagen, um was es sich gehandelt hatte. Vielleicht waren es schleifende Schritte gewesen. Oder etwa ein heftiges Atmen?
Wenn das letztere stimmte, mußte es einer fremden Person gelungen sein, in ihre Wohnung zu gelangen. Aber sie hatte nichts
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