0548 - Knochen-Cowboy
die Augen deutlicher hervortraten.
Und diese Augen kannte ich. Nicht nur sie, das gesamte Gesicht war mir nicht unbekannt.
Es gehörte Link McAssig!
***
Als hätte es jemand mit einer dünnen Farbe auf das Holz gepinselt, so blaß zeichnete es sich vor dem Hintergrund ab. Ich war dermaßen überrascht, daß ich zunächst einmal keinen Kommentar abgeben konnte und mich einzig und allein auf dieses Gesicht über der Fratze konzentrierte. Meine Gedanken glitten zurück in die jüngste Vergangenheit. Ich sah mich wieder in Schottland und an der Rückseite des Pubs, dessen Wirt Link McAssig gewesen war.
Und ich sah die Kleidung vor mir.
Stinkend, verbrannt, noch qualmend. Reste, mehr Asche als Fetzen, aber keinen Menschen.
Dessen Gesicht befand sich jetzt vor mir, eingebettet in diesen Totempfahl, der von einer Kraft beherrscht wurde, dessen Fratze sich unter dem Gesicht abzeichnete.
Ein Namenloser?
Bestimmt nicht. Die Fratze glich eher einer Maske. Und Masken waren oft genug von Medizinmännern während der beschwörenden Tänze getragen worden.
Die Einfahrt war geschlossen. Außer uns hielt sich niemand in der Tiefgarage auf. Ich wußte nicht, weshalb der Totempfahl so plötzlich erschienen war. Möglicherweise hatte ihn Morgan Clusky geschickt. Zwischen den beiden mußte es einfach eine Verbindung geben.
Ich schätzte die Entfernung ab.
Vielleicht sechs Schritte, mehr nicht.
Eine Distanz, die leicht zu überwinden war, wie ich meinte. Aber ich mußte achtgeben.
Ich löste mich aus dem Schutz der Säule. Der erste Schritt, der zweite, dann überschlugen sich die Ereignisse, und mir wurde klar, daß man uns eine Falle gestellt hatte.
Zum Glück war Suko zurückgeblieben. Er besaß noch einen besseren Blickwinkel als ich, und er hatte die Gefahr erkannt.
»Deckung, John!« gellte seine Stimme.
Ich flog zu Boden.
Gleichzeitig krachten die Schüsse!
***
Im Nu verwandelte sich die sonst stille Tiefgarage in ein regelrechtes Inferno. Brutal zerrissen die Echos diese Ruhe. Kugeln pfiffen heran, flogen mir um die Ohren.
Ich war mit der rechten Schulter aufgeschlagen, rollte mich herum, zog dann die Beine an, stemmte die Hacken gegen den Boden, um für einen Moment Halt zu bekommen.
Dann stieß ich mich ab.
Flach hechtete ich über den Boden. Die Angst hockte mir im Nacken. Ich mußte in eine Lücke zwischen zwei abgestellten Wagen gelangen, um dort einigermaßen sicher zu sein.
Die Kugeln hatten mich bisher noch nicht getroffen. Im Flug sägte ein Geschoß glühend heiß über meine Nackenhaut. Mir war, als hätte mich ein Feuerzeug berührt. Dann schlug ich auf und rutschte genau in die Lücke hinein.
Dicht neben mir hämmerte ein weiteres Geschoß mit einem singenden Geräusch in das Blech eines Kotflügels. Auf allen vieren kroch ich weiter, richtete mich am Heck des Wagens so weit auf, daß ich geduckt stehen und über das Dach hinwegpeilen konnte.
Es wurde nicht mehr geschossen. Nur die Echos wetterten noch zwischen den kahlen Wänden.
Der Totempfahl war verschwunden.
Auch den Schützen konnte ich nicht entdecken, aber ich wußte auch so, wer da auf mich gefeuert hatte.
Morgan Clusky, der Knochen-Cowboy!
Am Klang der Waffe hatte ich es erkannt. Er hatte also mit einer fast gespenstisch anmutenden Zielsicherheit den Weg nach London gefunden, um hier das zu vollenden, was er in Schottland begonnen hatte.
Suko und ich waren nicht zum erstenmal in dieser großen Tiefgarage von dämonischen Wesen attackiert worden. Dieses Hochhaus, in dem wir lebten, stand unter einer ständigen Gefahr, das war uns wieder einmal dokumentiert worden.
Nur Sekunden hatte der Angriff gedauert. Eine blitzschnelle Hölle, die jetzt hinter uns lag. Ich hatte sie fast unbeschadet überstanden, nur im Nacken spürte ich noch immer den Schmerz und merkte auch, daß es warm in meinen Kragen hineinlief und den Rücken hinabrinnen wollte. Blut aus der leichten Streifschußwunde.
Hinter mir erklangen Sukos Schritte. Ich drehte mich um, mein Partner war schon bei mir.
»Verdammt, John, der hätte dich abgeschossen wie einen Hasen.«
»Wer?«
Er schaute mich erstaunt an. »Hast du ihn nicht gesehen?«
Ich holte ein Taschentuch hervor und preßte den Stoff auf die Nackenwunde. »Nein.«
»Dein Freund aus Schottland.«
»Das Skelett?«
»Du weißt es ja.« Suko schüttelte den Kopf. »Verdammt, du hattest recht! Das war ein Knochen-Cowboy. Ein Skelett in Western-Kleidung und bewaffnet mit einem schweren Colt.«
»Der kann
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