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055 - Das Monster von Greenfield

055 - Das Monster von Greenfield

Titel: 055 - Das Monster von Greenfield Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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hundertprozentig ausschließen können, dass er die Morde begangen hat. Aber immerhin ist ihr Urteil über Mike positiv genug, dass die Polizei ihn nicht länger in Untersuchungshaft behalten kann. Er wird morgen freigelassen. Wusstest du das?«
    Dorian sprang wie von der Tarantel gestochen hoch. »Woher weißt du das?«, fragte er.
    »Es wurde eben in den Drei-Uhr-Nachrichten durchgegeben.«
    Dorian kleidete sich schnell an. Trevor Sullivan hatte für ihn eine Besuchserlaubnis erwirkt, und Dorian konnte nur erahnen, auf welchen verschlungenen Pfaden und durch welche Beziehungen ihm das gelungen war. Bisher hatte Dorian nämlich nicht einmal das Protokoll einsehen dürfen. Und Mikes Anwalt, den seine Tante besorgt und mit dem sich Dorian in Verbindung gesetzt hatte, zeigte ihm ebenfalls die kalte Schulter.
    Coco hatte schon recht; man wollte seine Hilfe nicht. Warum? Hatte Mikes Tante etwas zu verbergen? Vielleicht. Deshalb wollte Dorian die Gelegenheit ergreifen und sich mit Mike noch einmal unterhalten, bevor er wieder dem Einfluss seiner Tante ausgesetzt war.

    Mike war über Dorians Besuch hocherfreut und schilderte freimütig seinen stets wiederkehrenden Albtraum, in dem er seine Eltern und einen Lord Marbuel tötete. Obwohl Dorian die Vorgeschichte ihrer ersten Begegnung bereits kannte, ließ er Mike auch erzählen, wie Lisa ihn in den Wald lockte, wo ihr Freund mit seinen Kameraden wartete.
    »Was dann passiert ist, wissen Sie ja selbst, Mr. Hunter.«
    »Ja«, sagte Dorian. »Mich interessiert auch mehr, was früher gewesen ist. Ich meine, bevor ihr – du und deine Tante – nach Greenfield gezogen seid. Ihr wohnt erst seit fünf Jahren in diesem Ort. Wo habt ihr früher gelebt?«
    »Fünf Jahre ist das erst her?«, wunderte sich Mike. Er kratzte sich an der flachen, narbigen Schädeldecke und lächelte. »Mir kommt es viel länger vor. Als ich Lisa zum ersten Mal sah, war sie noch ein kleines Mädchen und hat nichts dabei gefunden, sich mit mir abzugeben. Erst später …«
    »Wie hieß der Ort, in dem ihr gewohnt habt, bevor ihr nach Greenfield gezogen seid?«, unterbrach Dorian ihn.
    »Ich weiß es nicht, Mr. Hunter«, sagte Mike bedauernd. »Ehrlich, ich habe den Namen glatt vergessen. Aber es war weiter oben im Norden. Oder in Wales? Es hat mir dort ganz gut gefallen. Zumindest am Anfang. Und ich weiß noch, wie Tante Anna gesagt hat: Mike, ich glaube, hier werden wir es länger aushalten. Und ich habe vor Freude geweint. Aber dann blieben wir doch nicht einmal ein ganzes Jahr.«
    »Warum?«
    Mike senkte den Blick. »Meinetwegen. Es war meine Schuld. Ich – ich ertrug es einfach nicht, im Hause eingesperrt zu bleiben. Meine Tante hat mich bei Nacht ins Haus gebracht und mir eingeschärft, mich anderen Leuten nie zu zeigen. Sie sagte: ›Mike, ich will ja nur dein Bestes. Du weißt ja noch zu gut, wie es in …‹ Den Namen des Dorfes, in dem wir vorher gewohnt haben, habe ich leider vergessen, Mr. Hunter. ›Du weißt ja noch zu gut‹, sagte Tante Anna, ›wie böse die Leute in dem anderen Ort zu dir gewesen sind. Wir mussten fortziehen, weil die Gemeinheiten, die sie uns angetan haben, einfach nicht mehr zu ertragen waren. Ja‹, habe ich gesagt. Und sie sagte: ›Es ist besser, wenn du auf deinem Zimmer bleibst und dich nicht zeigst. Dann kann dir niemand etwas tun.‹ Und ich habe zugestimmt. Aber lange Zeit hielt ich es nicht aus. Ich weinte oft, wenn ich am Fenster stand, hinter den Vorhängen versteckt, und die Leute auf der Straße und die Kinder auf der Wiese sah. Einmal entdeckte mich jemand am Fenster und winkte. Es war ein kleiner Junge. Ich winkte zurück und er lachte. Er muss es weitererzählt haben, dass er mich gesehen hat, denn von da an kamen immer mehr Kinder vor mein Fenster. Jeden Tag. Meine Tante schimpfte mit mir und sagte, dass sie mich nun nicht länger verbergen könnte. Einige Tage später zog sie mir das feinste Gewand an, das ich hatte, und lud alle ihre neuen Freundinnen zum Tee. Es waren lauter nette Damen, denen sie mich vorstellte, und alle waren ganz rührend zu mir. Am Abend umarmte mich meine Tante und sagte, dass vielleicht doch noch alles gut werden würde, und wir weinten beide vor Glück. Aber dann kam alles ganz anders.«
    »Was passierte?«
    Mike hob die Schultern. »Nichts.«
    »Willst du es mir nicht sagen?«
    Mike druckste eine Weile herum und gestand dann: »Tante Anna und Mr. Bennett haben mir verboten, mit Ihnen zu sprechen, Mr. Hunter.«
    James Bennett

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