055 - Das Monster von Greenfield
nennen«, sage ich vergnügt und klopfe ihm spielerisch mit dem Stock auf die Finger, als er in eine Schublade der Kommode langen will. Er zieht die Hand sofort zurück, reibt sie sich. Die Knöchel sind angeschwollen.
»Mir ist etwas zu Ohren gekommen, das mir als Mikes Freund gar nicht gefällt«, fahre ich fort. Langsam komme ich in Fahrt. Irgendwann wird er etwas tun, was mich zur Explosion bringt. Nur ruhig, Mike! Lass mich nur machen. »Mike hat mir anvertraut, dass Sie es sind, der am meisten gegen Mike wetterte. Mr. Hyde hat es zu mir gesagt … Ah, ich sehe, wie Erkennen in Ihren Augen aufleuchtet. Sie haben in der Zeitung von mir gelesen? Umso besser. Dann brauche ich mich nicht vorzustellen. Also, Mike hat gesagt: Der Quimbley, dieser Popanz, will, dass ich in eine Irrenanstalt komme. Stimmt das, Quimbley?«
Er räuspert sich, beleckt sich die Lippen, wischt sich den Schweiß seiner zitternden Hände an der Hose ab. Aber er unterschätzt mich und winselt noch nicht um sein Leben. Er wird sogar großkotzig.
»Dort gehört dieser Verrückte auch hin«, erklärt er. »Und Sie mit ihm. Verdammt, Mike, glauben Sie, ich erkenne Sie nicht trotz der Maskerade, trotz dieser Perücke?«
Seiner Stimme ist gar nicht anzumerken, was er vorhat. Plötzlich springt er auf mich los und reißt mir die Perücke vom Kopf.
Da explodiere ich und haue mit dem Stock auf ihn ein. Seine Hilfeschreie sind Musik in meinen Ohren.
Aber dann muss ich Schluss machen, weil die Zeit drängt.
Bis zum nächsten Mal, Mike! Ich muss dich jetzt verlassen, aber du kannst auf mich bauen. Dein dich beschützender Mr. Hyde lässt dich nicht im Stich.
Miss Prelutsky kam kreidebleich die Treppe herunter.
Dorian brauchte nicht erst zu fragen, was denn los sei. Er merkte auch so, dass irgendetwas nicht stimmte.
Er raste an ihr vorbei die Treppe hinauf. Mikes Zimmer war leer. Das Fenster war sperrangelweit offen. Kein Zweifel, Mike war, ohne dass sie etwas davon bemerkt hatten, aus dem Fenster hinunter in den Garten gesprungen. Genau unter dem Fenster stand ein Komposthaufen – Andenken an den Herbst.
Ohne zu zögern, sprang Dorian ebenfalls durchs Fenster. Der Boden war weich und zeigte ganz deutlich die Abdrücke von Mikes großen Schuhen.
Dorian folgte der Spur bis zum Gartenzaun, dahinter verlor er sie. Er wandte sich zuerst nach links, dem Hang zu, der zum Bach führte. Dort war alles still. Als er wieder umkehrte und in Richtung Greenfield marschierte, sah er einen Schatten. Der Statur nach war es eindeutig Mike.
»Mike!«, rief Dorian und rannte zu ihm.
Mike schlurfte weiter, gab winselnde Laute von sich und wischte sich immer wieder mit dem Ärmel über die Augen.
Dorian erreichte ihn. »Wo warst du, Mike? Was ist passiert?«
Mike blickte ihn verstohlen an, wandte sich wieder ab und schlurfte kopfschüttelnd und schluchzend weiter.
Dorian folgte ihm.
»Ach, Mr. Hunter!«
Mike kletterte schwerfällig über den Zaun und wankte auf die Hintertür des Hauses zu. Dort erschien seine Tante. Mike sank vor ihr auf die Knie und barg seinen Kopf in ihrem Schoß. Ihre kraftlosen Hände legten sich auf seinen Kopf. Sie sah fragend zu Dorian, doch dieser konnte nur die Schultern heben.
»Komm ins Haus, Mike!«, sagte Miss Prelutsky und half ihm auf die Beine.
»Ich habe etwas Schreckliches getan, Tante«, murmelte Mike.
»Hat dich jemand gesehen?«, fragte sie sofort. Und als Mike verneinend den Kopf schüttelte, fügte sie hinzu: »Dann komm auf dein Zimmer und leg dich aufs Bett!«
Sie führte ihn hinauf. Mike ließ alles widerstandslos mit sich geschehen, wehrte sich nicht, als sie ihn aufs Bett legte. Er schluchzte haltlos.
»Willst du uns nicht sagen, was vorgefallen ist, Mike?«, fragte Dorian von der Tür her.
Miss Prelutsky wirbelte herum.
»Lassen Sie ihn in Ruhe, Mr. Hunter!«, herrschte sie ihn an. »Sehen Sie denn nicht, dass er ganz verstört ist?« Und an Mike gewandt, fuhr sie mit sanfter Stimme fort: »Sag jetzt überhaupt nichts, Mike! Du brauchst Ruhe. Schlaf jetzt! Morgen sieht alles anders aus.«
»Aber – ich kann es nicht für mich behalten, Tante«, sagte Mike und stützte sich auf. »Ich muss – darüber sprechen, sonst werden mich diese entsetzlichen Bilder auf ewig in meinen Träumen verfolgen.«
Dorian hielt Mikes Tante zurück, als sie Mike am Weitersprechen hindern wollte.
»Was war los, Mike?«, ermunterte ihn der Dämonenkiller.
Mike sah ihn mit großen Augen an.
»Ich – ich war bei Mr.
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