055 - Das Monster von Greenfield
Quimbley«, erzählte er stockend. »Ich drang vor ihm ins Haus ein, erwartete ihn – und dann habe ich ihn niedergeschlagen. Dort sieht es jetzt aus wie auf einem Schlachtfeld. Ich wollte es nicht tun. Wirklich. Ich bin zu seinem Haus gegangen, um ihn zu warnen. Ehrenwort! Ich wollte dieses Blutbad verhindern. Aber das Böse in mir war stärker.«
»Sei endlich still, Mike!«, schrie seine Tante.
Sie warf sich auf Dorian und packte ihn am Rockaufschlag. »Sie dürfen nicht glauben, was Mike da sagt. Er fantasiert. Er wäre nicht fähig, so etwas Schreckliches zu tun.«
»Was regen Sie sich so auf, Miss Prelutsky«, sagte Dorian. »Wenn Mr. Quimbley am Leben ist, dann hat Mike überhaupt nichts zu befürchten. Oder zweifeln Sie selbst daran?«
»Mr. Quimbley ist tot«, sagte Mike vom Bett her. Er ließ sich auf das Kissen zurückfallen. »Er sieht entsetzlich aus.«
Dann war er eingeschlafen.
»Gehen Sie jetzt, Mr. Hunter! Und kommen Sie, bitte, nicht mehr in dieses Haus! Sie bringen uns nur Unglück«, sagte Miss Prelutsky tonlos.
Dorian entgegnete nichts. Er stieg die Treppe ins Erdgeschoss hinunter, rief in der Jugendstilvilla an und bat Sullivan, seine Beziehungen spielen zu lassen und zu erreichen, dass zwei Polizisten zum Schutz Mikes abgestellt wurden. Dann verließ er das Haus und stieg in seinen Wagen. Er kehrte aber nicht auf dem schnellsten Weg nach London zurück, sondern fuhr im Schritttempo durch Greenfield. Vor einem Haus in einer Seitengasse entdeckte er eine große Menschenmenge. Er sah auch Polizisten und zwei Streifenwagen. Von der anderen Seite kam ein Rettungswagen mit eingeschalteter Sirene angebraust.
»Ihr könnt wieder umdrehen«, empfing ein Polizist die Rettungsmänner. »Mr. Quimbley ist nicht zu helfen. Was er braucht, ist ein Sarg.«
Dorian fuhr weiter. Er hatte genug gehört – und helfen konnte er hier ohnehin nicht mehr. Es war besser, in die Jugendstilvilla zurückzukehren und zu versuchen, ein wenig zu schlafen.
Aber daraus wurde nichts. Trevor Sullivan erwartete ihn mit Neuigkeiten.
Dorian hatte den Rover kaum in der Garage abgestellt, als durch den Verbindungsgang zum Keller Sullivan auftauchte.
»Na, endlich!«, sagte der Chef der Mystery Press . »Ich habe schon versucht, Sie bei der Prelutsky zu erreichen, aber Mikes Tante sagte mir, dass Sie eben abgefahren seien.«
»Gibt's Schwierigkeiten?«, fragte Dorian. »Was ist? Haben Sie erreicht, dass wenigstens zwei Beamte zum Haus von Mikes Tante abgestellt werden?«
»Man will zwei Wachen beim Haus postieren«, antwortete Sullivan, »aber vorerst braucht man noch jeden Mann für die Untersuchung des Mordes. Darüber wissen Sie sicherlich mehr als ich.«
»Natürlich«, knurrte Dorian und folgte Sullivan ins Kellergeschoss. »Die Bürger von Greenfield versuchen, Mike und seine Tante durch Terror aus dem Ort zu vertreiben. Und die Polizei spielt mit. Aber damit sollten Sie sich nicht belasten, Trevor.«
»Es freut mich, wenn Sie nicht von mir verlangen, dass ich mich in diesem Fall auch noch engagieren soll«, meinte Sullivan spöttisch. »Mir genügt es, dass Sie mich mit den Nachforschungen betraut haben. Einen ersten Erfolg konnte ich bereits verbuchen.«
Als sie die Presseagentur betraten, war dort Miss Martha Pickford gerade dabei, aus einer Mokkatasse Kaffee in zwei Tassen zu gießen. Sie war nur mit einem Morgenmantel bekleidet und machte einen verschlafenen Eindruck.
»Na, auch noch auf den Beinen, Miss Pickford?«, fragte Dorian.
»Man hat mich aus dem Bett geholt, weil man wollte, dass ich für Sie Kaffee koche«, maulte sie und warf Sullivan einen bösen Blick zu, um ja keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, wen sie mit »man« meinte. Und sie äffte Sullivan nach. »Aus den Federn, Miss Pickford, Pascha Hunter kommt! Wir brauchen starken Kaffee, denn es könnte eine lange Nacht werden. Pascha Hunter hat ja zwei linke Hände und kann sich sein Teufelszeug nicht selbst brauen.«
Dorian musste lachen.
»Nehmen Sie doch auch eine Tasse, Miss Pickford!«
»Brrr!«, machte sie und schüttelte sich demonstrativ. »Ich will mich doch nicht vergiften. Wenn Pascha Hunter keine Wünsche mehr hat, möchte ich mich in mein Zimmer zurückziehen und mich meiner Grusellektüre widmen.«
»Was lesen Sie denn gerade?«, fragte Dorian.
»Dr. Jekyll und Mr. Hyde«, antwortete sie im Hinausgehen. »Und ich will Ihnen auch nicht verschweigen, dass ich in der Person des Mr. Hyde Parallelen zu Ihnen entdeckt
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