055 - Der Würger aus dem See
anscheinend dazu, sich
leise zu verhalten. »Es sind Exemplare darunter, die schon zwanzig und dreißig
Jahre hier hängen. Einige habe ich von Bekannten erhalten. Es handelt sich
ausschließlich um Exemplare, die im Loch Ness Vorkommen.«
X-RAY-3 hatte sich an den Gestank und die düstere Umgebung
gewöhnt. Die gespenstisch angestrahlten Körper der toten Fische wirkten wie
vertrocknete Mumien, die man aus dem Lehm der Wand herausgearbeitet hatte.
Trane wüßte eine ganze Menge über Herkunft, Gattung und Alter der
präparierten Fische zu berichten.
»Eine Sensation dürfte dieses Exemplar sein«, fügte er hinzu, als
sie sich einer Tür genähert hatten, an der die Klinke fehlte. Die Türnische
wurde nun als Regal benutzt, auf dem in Glasbehältern Algen, Korallen und
kleinere Meerestiere wie Muscheln und Krebse in Spiritus aufbewahrt wurden.
Mit diesen Worten wies Trane auf ein Gestell, auf dem ein Koloß
von einem Fisch aufgespießt war. Die schuppige, ledrige, ausgetrocknete Haut
des urwelthaften Fisches schimmerte matt unter dem kalten, grünen Licht der
verborgenen Lichtquelle.
Larry Brent war kein Wissenschaftler, der das Leben im Meer
studiert hatte. Auch Gerome Trane war keiner, aber er hatte sein Leben einem
ungewöhnlichen Hobby gewidmet.
»Das ist ein Coelacanthus«, murmelte X-RAY-3 und beugte sich ein
wenig nach vorn, um den geheimnisvollen Fisch, der den Wissenschaft lern der
Welt so große Rätsel aufgab, näher zu betrachten.
»Ich habe mal einen Bericht über diesen Urweltfisch gelesen«, fuhr
der Amerikaner fort, »Wenn ich mich recht entsinne, hat man ein solches
Exemplar an der Küste von Südafrika gefangen. Durch Zufall. Man glaubte schon
nicht mehr daran, daß es diese Fischgattung überhaupt noch gäbe. Die Tatsache,
daß man einen fing, war eine Sensation.«
GeromeTrane grinste irr, als er die Worte des Agenten vernahm, und
er schien völlig vergessen zu haben, daß er Larry Brent eigentlich den Grund
für sein Verhalten in der letzten Nacht hatte erklären wollen.
»Wissen Sie, Mr. Brent - wir Menschen von heute glauben, so
ziemlich alles zu wissen, was auf unserer Welt vorgeht. Das ist ein Irrtum.
Gerade das Meer gibt den Wissenschaftlern immer neue - und auch noch alte -
Rätsel auf. Das Auftauchen des Coelacanthus war ein solcher Fall. Dieses
Exemplar habe ich aus dem Loch Ness herausgefischt.«
»Ausgeschlossen«, stieß Larry hervor.
Entweder war der kahlköpfige Fischer verrückt oder ein
Aufschneider.
»Nichts ist ausgeschlossen.«
Mit einer beinahe zärtlichen Bewegung strich der Schotte über den
trockenen Körper des Urweltfisches, der angeblich ein Vorläufer des Menschen
sein sollte. Ernsthafte Wissenschaftler zweifelten heute nicht mehr daran, daß
die ersten Lebensformen aus dem Meer kamen. Und wenn man diesen Coelacanthus
genau betrachtete, überfiel einen ein gewisses Unbehagen. Dieser plumpe Fisch
sah in gewisser Weise menschenähnlich aus. Die Flossen zeigten erste Anzeichen
von Armgliedern.
»Er ist tatsächlich im Loch Ness aufgetaucht?«
Larry war gefesselt von Tranes interessantem Bericht.
»Vor einiger Zeit gab es in dieser Gegend ein schwaches Erdbeben.
Wir haben kaum etwas davon bemerkt. Aber im See tat sich etwas. Tiefere
Schichten haben sich verschoben. Dabei muß aus der Tiefe, durch Ritze und
Spalten in den Riffen und Felsen und von Unterwasserströmungen mitgerissen, der
Coelacanthus in den See geworfen worden sein. Ich fing ihn tot und präparierte
ihn sofort. Niemand erfuhr davon. Aber der Coelacanthus war nicht die einzige
Überraschung, die das Seebeben uns bescherte. Es wurde noch etwas in den Loch
Ness eingeschleust - und das will ich Ihnen zeigen. Aber... «, er unterbrach
sich, sah Larry mit irr leuchtenden Augen an und leckte sich dann über seine
spröden Lippen, »Sie müssen mir versprechen, das Ihnen Anvertraute für sich zu
behalten.
Niemand darf davon erfahren. Sonst würde es zu schlimmeren
Vorfällen kommen, Mr. Brent. Was jetzt in Foyers passiert-könnte sich in noch
furchtbarerem Ausmaß in Inverness fortsetzen. Das Auftauchen des Seeungeheuers ist kein Zufall. Es will etwas
zurückhaben - das ich gefangen habe.«
Die Nähe Tranes wurde mit einemmal bedrückend. Larry war schon oft
mit seltsamen Käuzen zusammengetroffen. Doch der Schotte nahm eine
Sonderstellung ein.
Ohne ein Wort zu sagen, drückte er sich um den groben, schmucklos
zusammengehauenen Tisch herum, der eher an eine Arbeitsplatte erinnerte. Darauf
lagen
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