0550 - Der Heimkehrer
staunen. Ohne daß die Wand der Pyramide die beiden aufgehalten hätte, verließen sie diesen übergroßen, dreieckigen Körper.
Auch vor ihm schleifte Serena den Eisernen noch über den Boden.
Was hätte seine Niederlage besser dokumentieren können, als diese Haltung und Wehrlosigkeit?
Lidholm hatte die Schritte der Frau mitgezählt. Nach etwa zehn Metern stoppte sie, ließ den Engel los, der auf der Stelle zusammensank und wie ein Häufchen Elend liegenblieb.
Serena drehte sich um. Das Grinsen, mit dem sie in die Pyramide hineinschaute, wirkte grausam.
Carl Lidholm gehörte zu den Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, die Natur zu schützen. Dazu gehörte nicht nur die Fauna und Flora, das menschliche Leben stand bei ihm an erster Stelle.
Auch wenn der Engel nicht im eigentlichen Sinne zu den Menschen zählte, so war er doch eine lebende Kreatur. Lidholm wollte nicht, daß er getötet wurde.
Er stand auf. Carl gehörte zu den gesunden Menschen, die Würgezeit hatte er überwunden, Nachwirkungen spürte er auch keine mehr, und der Kreislauf war ebenfalls stabil geblieben.
Noch setzte er sich nicht in Bewegung. Sein Blick glitt durch die dünne Wand der Pyramide. Er wollte alles mitbekommen und sah auch, daß sich Serena gebückt hatte.
Zielsicher griff sie nach dem Schwert des Eisernen und zog die Waffe mit einem glatten Zug aus der Scheide.
Lidholm erstarrte vor Schreck. Er schüttelte den Kopf, weil er nicht fassen konnte, daß diese Person ihr Mordvorhaben in die Tat umsetzen wollte.
»Das… das kannst du doch nicht machen!« sagte er stotternd und schluckte einige Male. »Verdammt!« schrie er dann. »Bist du wahnsinnig. Du kannst ihn nicht töten. Das darfst du nicht, nein!«
Erst bei den letzten Worten hatte er sich in Bewegung gesetzt und nahm den gleichen Weg wie zuvor Serena mit ihrem Opfer. Er stolperte durch die Pyramide. Sein Gesicht war verzerrt. Angst und Hoffnung wechselten sich gegenseitig ab. Lidholm hielt die Arme ausgestreckt, als könnte er schon jetzt nach ihnen fassen.
Da passierte es.
Carl Lidholm gelang nicht das, was den beiden gelungen war. Für ihn öffnete sich die Pyramide nicht.
Zuerst mit den Armen und dann mit dem Körper schlug er gegen die kaum erkennbare, dünne, aber sehr, sehr widerstandsfähige Wand. Durch den Schwung waren die Arme geknickt wie Streichhölzer. Er stieß sich ab, hob die Arme und trommelte mit beiden Fäusten gegen das Hindernis.
Ob das Geräusch von Serena gehört worden war, konnte er nicht sagen. Jedenfalls drehte sie sich um.
»Neiinnnn!« brüllte er.
Sie lachte und hob das Schwert. Mit dem Fuß trat sie gegen den regungslos daliegenden Engel, hob ihn mit einer leicht wirkenden Bewegung kurz an und sorgte dafür, das der Engel auf den Bauch rollte und sein Nacken frei vor ihr lag.
Wieder brüllte Carl auf.
Serena aber hob das Schwert.
Genau in dem Augenblick geschah es. An der rechten Seite zwischen der Pyramide und den beiden Gestalten begann die Luft zu flimmern. Sie wirkte wie eine Spirale, aus der sich noch in der gleichen Sekunde eine Gestalt hervorschälte.
Eine Frau im langen, blauen Kleid. Ihre Haare wehten im Wind, und sie hielt ein Schwert mit goldener Klinge in der rechten Hand.
Kara war da!
***
Bill Conolly schielte auf die Whiskyflasche. Er war fast soweit, sie zu leeren, seinen Kummer in Alkohol zu ertränken, doch der Wille siegte über das Gefühl.
Es brachte überhaupt nichts, wenn er sich betrank. Sollte jemand aus der Klinik anrufen, mußte er nüchtern sein. Betrunken konnte er nicht fahren. So ließ er es bleiben.
Bill hielt es im Wohnraum nicht mehr aus. Obwohl das Zimmer mehr als geräumig war, hatte er das Gefühl, in einem Verlies zu stecken, in dem ihm die Decke fast auf den Kopf fiel.
Er stand auf, verließ den Raum und ging dorthin, wo die beiden anderen Bewohner des Hauses zusammen waren.
Johnny, Bills Sohn, und Nadine, die Wölfin mit der menschlichen Seele. Es hatte sie ebenfalls erwischt. Ein Messerstich war tief in ihre Flanke gedrungen, hatte aber glücklicherweise keine lebenswichtigen Organe ausgeschaltet. Mit einem Verband um den Körper lag sie neben Johnnys Bett. Der Junge selbst hockte am Schreibtisch und brütete über seinen Hausaufgaben. Als Bill das Zimmer betrat, schreckte er zusammen und drehte sich um.
Der Reporter versuchte zu lächeln. Johnny sollte nicht merken, wie mies er sich fühlte.
»Wie geht es, Mum?«
»Ganz gut, sagen die Ärzte.«
Johnny atmete durch
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