0550 - Der Heimkehrer
die Nase. »Lügst du mich auch nicht an, Dad? Du weißt doch, du kannst es mir sagen…«
»Das stimmt, Junge, ich weiß es. Aber ihr geht es tatsächlich den Umständen entsprechend gut.« Er legte seine Hand auf Johnnys Schultern. »Mummy hat sogar gesprochen.«
Plötzlich leuchteten seine Augen. »Was hat sie? Gesprochen – was erzählt? Hat sie nach mir gefragt?«
Bill griff zu einer Notlüge. »Nach uns, Johnny. Sie hat sich nach uns beiden erkundigt.«
»Dad, Dad…« Jetzt schluckte er und griff nach Bills Hand. »Was … was hast du ihr gesagt?«
»Daß wir uns freuen würden, wenn sie wieder so schnell wie möglich bei uns ist.«
»Und weiter?«
»Sie hat versprochen, uns den Wunsch zu erfüllen. Mummy will wieder gesund werden.«
Johnny preßte die Lippen hart zusammen und nickte. Er wollte jetzt nicht weinen, obwohl es ihm heiß die Kehle hochstieg.
Bill warf einen Blick auf das leere Hausaufgabenheft. »Hast du nichts geschafft?«
»Ich… ich kann nicht, Dad.«
»Verstehe. Was ist es denn?«
»Latein und Mathematik. Ich bin so durcheinander. Ich habe nichts mehr behalten. In der Schule mußte ich fortwährend an Mummy denken. Kannst du das verstehen?«
»Und ob, mein Junge.«
»Was soll ich denn jetzt machen?«
Bill winkte ab. »Laß die Aufgaben sein! Ich werde mit deinen Lehrern sprechen. Heute abend rufe ich an.«
»Danke, Dad.« Er kam wieder auf seine Mutter zu sprechen. »Was hat Mummy denn noch gesagt?«
Bill konnte ihm unmöglich die Wahrheit erzählen. Johnny hätte die Aussagen auch nicht begriffen. Deshalb wich er mit seiner Antwort aus. »Sie war einfach zu schwach, verstehst du?«
»Nein, Dad.«
»Deine Mutter schlief wieder ein. Wenn jemand so schwer verletzt ist, dann strengt es ihn ungemein an, wenn er reden muß. Jedes Wort kostet Überwindung.«
Johnny nickte. Er hatte der Erklärung seines Vaters sehr genau zugehört. »Aber ich kann doch mal mit zu ihr – oder?«
»Klar.« Bill gab seiner Stimme einen jovialen Klang. »In einigen Tagen sicherlich.«
»Darauf freue ich mich. Am Wochenende?« Er wollte jetzt schon eine genaue Zeit wissen.
»Bestimmt.«
»Gut, Dad, ich…«
Bill wechselte das Thema. »Was ist mit Nadine? Hast du auf sie achtgegeben?«
»Ja, ich streichle sie immer.«
»Das mußt du auch, es tut ihr gut.«
Johnny lächelte. »Sie wird ebenso gesund werden wie Mummy. Komisch, beide sind mit einem Messer…«
»Bitte, Johnny, daran solltest du nicht denken. Die Dinge sind gelaufen. Sie wird auch nicht zurückkehren, diese schlimme Täterin.«
Das Wort Mörderin verschluckte Bill.
Dafür hörte er das Telefon. Vater und Sohn zuckten zusammen.
»Das ist bestimmt das Krankenhaus, Dad.«
»Kann sein.«
Bill lief in den Flur. Johnny verfolgte ihn. Der Junge hatte sich nicht geirrt. Er was tatsächlich Dr. Cendric, der angerufen hatte. Seine Stimme klang übermüdet. »Ihre Frau, Mr. Conolly…«
»Ja, ja… was ist mit ihr?«
»Keine Sorge, sie lebt. Aber sie hat geredet, verstehen Sie? Wieder einige Worte.«
»Muß ich kommen?«
»Ja, das wäre besser, denn sie hat auch Ihren Namen ausgesprochen. Sie will Sie sehen.«
Bill schluckte. Wie sich das anhörte. Sie will mich also sehen, dachte er. Noch einmal, bevor…
»Hallo, Mr. Conolly. Sind Sie noch dran?«
»Natürlich.« Bill räusperte sich. »Entschuldigen Sie, ich dachte nur, daß meine Frau…«
»Ich kann mir vorstellen, was Sie gedacht haben, aber so ist es nicht. Mich beginnt der Fall zu interessieren. Da ich Junggeselle bin, bleibe ich im Krankenhaus und schlafe hier auch. Ich möchte gern erleben, wie das mit Ihrer Frau weitergeht.«
»Danke, Doktor.«
»Dad, was ist denn geschehen? Weshalb sollen wir sofort kommen?«
Bill griff schon zur Jacke. »Okay, du kannst mitfahren.«
»Aber Mummy…«
»Keine Sorge, Johnny. Mummy geht es gut. Sie hat wieder gesprochen.«
Die Augen des Jungen strahlten plötzlich. »Klasse, Dad. Dann wird sie vielleicht auch mit uns reden.«
»Das kann sein.«
Bill schloß die Haustür ab und schaltete die Alarmanlage ein. Jetzt war er einigermaßen gesichert. Er gratulierte sich auch jetzt zu seinem Entschluß, keinen Tropfen Alkohol getrunken zu haben. Der Alkohol war schlimm. Wenn man feierte – okay, aber er selbst löste überhaupt keine Probleme.
Während der Fahrt sprach Bill so gut wie kein Wort. Auch Johnny merkte, daß es besser war, wenn er seinen Vater nicht ansprach. Bis zum St. Stephan’s Hospital war es nicht sehr weit.
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