0554 - Sie kam von den Sternen
überschnitten und der Junge etwas Mühe hatte, die Sätze zu verstehen.
Sicher, Consuela hatte mit ihrer Behauptung recht gehabt. Er wußte ja aus dem Buch einiges von ihr. Sie war eine gute Person, aber sie haßte das Unrecht. Wenn sie jemand sah, der sich in Gefahr befand, dann griff sie ein. Obwohl er erst elf Jahre alt war, dachte er darüber nach. Automatisch fiel sein Blick dabei auf die dunkle Stelle an der Messerspitze. Wahrscheinlich war sie unterwegs gewesen und hatte das Unrecht gesehen und es auf ihre Art und Weise gerächt.
Durch Tod…
Kevin bewegte die Beine. Er trat auf der Stelle und von einem Fuß auf den anderen. Seit einiger Zeit brannte ihm eine Frage auf den Lippen. Erst jetzt fand er die Überwindung, sie zu stellen. »Warum bist du gerade zu mir gekommen, Consuela?«
Sie lachte leise, aber auch dieses Geräusch hallte nach, als würden die Schwingungen hinaus in das All getragen und zwischen den Sternen verklingen. »Ich habe dich gespürt, mein kleiner Freund. In alten Büchern wurde über mich geschrieben. Nicht nur in deinem Buch, es gibt noch ältere, die über mich berichteten. Darin steht, daß ich auf der Suche bin nach dem Sohn des Lichts. Er muß hier irgendwo sein. Ich werde seine Spur finden, dich habe ich auch gefunden. Und ich werde ihn fragen, ob er bereit ist, mit mir zu gehen, um das Unrecht in der Welt auszulöschen. Ich habe mich entschlossen, mich wieder den Menschen zuzuwenden, denjenigen, die mich mögen und die bereit sind, mit mir zu gehen. Du gehörst auch dazu. Möchtest du mit mir kommen, Kevin?«
Diese Frage traf den Jungen völlig überraschend. Er war nicht in der Lage, eine Antwort zu geben. Plötzlich drehte sich ein Gedankenkarussell in seinem Kopf. Mit der Sternen-Prinzessin gehen? Einfach so? Vielleicht hineinfliegen in das All und weiter oder für immer verschwunden sein?
Er wußte es nicht. Automatisch dachte er an seine Eltern, die sich bestimmt Sorgen machen würden.
»Für wie lange denn?« brachte er schließlich hervor.
Die Prinzessin von den Sternen hob die Schultern. »Das kann ich dir auch nicht sagen. Zeit habe ich. Über Zeit rede ich nicht. Sie ist für mich nicht vorhanden. Ich überwinde die Zeit und damit auch die Entfernungen, wenn du verstehst?«
»Nein.« Der Junge war ehrlich.
Consuela lächelte. »Es ist gut, mein Kleiner, ich werde nicht mehr darüber reden. Allerdings brauche ich deine Entscheidung. Ich habe schließlich gemerkt, wie sehr du dich nach mir gesehnt hast. Während des Lesens spürte ich deine Gedanken, die es geschafft haben, Raum und Zeit zu überwinden und zu mir zu eilen. Das alles ist geschehen, mein Junge. Du bist ein Freund, ich eine Freundin.«
Kevin nickte sehr langsam. »Und wo werden wir dann hinfliegen?« fragte er leise.
»Wohin du willst. Wenn du zu den Sternen möchtest, bitte sehr. Ich zeige dir das All…«
Kevin staunte. »Das ganze Weltall.«
»Ja.«
»Das kann ich nicht glauben.«
Sie stand auf dem Messer wie festgeleimt. Mit einer sehr freundlichen Geste streckte sie dem Jungen ihren rechten Arm entgegen.
Auch die Hand hielt sie gestreckt, und an deren Gelenk schimmerten die goldenen Reifen ebenso wie der Schmuck in ihren Ohrläppchen.
Kevin sah die Hand, er spürte die Lockung, und er merkte ebenfalls, wie groß sein Vertrauen zu dieser Person schon war. Es kam ihm vor, als würde er Consuela schon jahrelang kennen und nicht erst seit einigen Minuten.
»Wir beide, mein Freund, werden die Geheimnisse der Welt durchreisen. Die Vergangenheit und die Zukunft. Du wirst die Dimensionen kennenlernen und mir dabei zuschauen können, wie ich versuche, das Unrecht zu vernichten. Komm her…«
Er traute sich nicht, schaute zurück, sah den Umriß der Tür. Das hier war seine Heimat, seine kleine Welt. Er kam sich plötzlich selbst vor wie die Hauptfigur in einem Märchen. Wenn er zu ihr ging, mußte er Vater und Mutter verlassen. Er wußte nicht, was ihn in einer anderen Welt erwartete, die so gar keine Ähnlichkeit aufwies mit der, die er hinter sich lassen sollte.
Hinter den Augen spürte Kevin den leichten Druck. Der trat immer dann auf, wenn er dicht vor dem Weinen stand.
Vater und Mutter allein lassen…
Andererseits lockte ihn das Fremde, das Unfaßbare. Er würde von der Realität hineingerissen werden in die Phantasie, die aber dann wieder real war. Und er stellte auch eine sehr nüchterne Frage.
»Wann komme ich dann wieder zurück?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Ich will ja
Weitere Kostenlose Bücher