0554 - Sie kam von den Sternen
in die Finsternis hinein. Seine Füße schleiften über den welligen Boden.
Irgendwann sah er die ersten Lichter schimmern.
Von Consuela entdeckte er nichts mehr, denn oft genug richtete er seinen Blick gegen den Nachthimmel.
Zwanzig Minuten später fand er ein Lokal. An der Theke standen Männer und kippten ihr Bier. Lidholm bestellte einen Whisky und ein Telefon. Er trank den Alkohol, während er sich ein Taxi bestellte.
»Noch einen?« fragte der dünne Wirt.
»Ja.«
»Sie sehen aus, als hätten sie einiges hinter sich, Mann.«
»Eine Wanderung.«
Der Wirt lachte sehr komisch. Wahrscheinlich glaubte er ihm kein Wort. Das war Lidholm auch egal.
Der Wagen kam schnell. Ein farbiger Driver brachte James zu seinem Ziel. Lidholm war die Fahrt über ungewöhnlich schweigsam.
Hin und wieder schüttelte er den Kopf, wenn er daran dachte, was hinter ihm lag. Ihm kam auch der Gedanke, die Polizei einzuschalten. Man würde auf seine Spur kommen, wenn der Wagen gefunden wurde.
Morgen ist auch noch ein Tag, dachte er, froh, endlich aussteigen zu können.
Lidholm wohnte in einem modernen Haus, das erst vor einem halben Jahr fertiggestellt worden war. Ihm gehörte eine der sechs Wohnungen. Als er sie betrat, wurde er vorsichtig.
Niemand lauerte auf ihn. Die beiden Killer hatten gereicht. Wer immer ihr Auftraggeber sein mochte, er rechnete noch damit, daß es Lidholm nicht mehr gab. Erfuhr der Unbekannte die Wahrheit, würde er es bestimmt noch einmal versuchen lassen.
Die Lebensgefahr blieb. Ob dann wiederum eine Consuela in der Nähe war, um ihn zu retten, war mehr als fraglich. Also mußte er etwas dagegen tun. Am besten war es, wenn er sich zurückzog. Einfach verschwand, weg aus der Stadt. Geld hatte er zur Seite schaffen können, um ein Jahr mindestens sorgenfrei zu leben.
Wäre Lidholm völlig nüchtern gewesen, hätte er es schon in der Nacht versucht. Die zwei Gläser Whisky allerdings hatten ihn etwas durcheinandergebracht. Müde strich er über seine Stirn und ließ die Rollos herunter.
Dann warf er sich in den Sessel, der schon mehr einer Liege glich.
Er konnte die Beine hochlegen, eine volle stand in Reichweite.
»Ein Scheißleben«, keuchte Lidholm und widersprach sich sofort selbst. »Auf das Leben!«
Dann trank er. In gierigen Schlucken füllte er sich regelrecht ab, bis er die Kontrolle über sich verlor, einschlief und auch nicht mitbekam, daß ihm die Flasche aus der Hand glitt. Sie fiel um. Ein Rest des Alkohols lief aus und hinterließ eine Lache auf dem hellen Teppich.
James Lidholm merkte es nicht mehr. Er schlief bereits dem nächsten Tag entgegen…
***
Kevin Long stand am offenen Fenster und fröstelte, obwohl er die Jacke übergestreift hatte. Die Nacht war doch kühler als erwartet. Er hätte sich zurückziehen können, das aber wollte er nicht. Der Junge war davon überzeugt, daß sich seine Prinzessin, von der er gelesen hatte, auch zeigen würde.
Sie würde von den Sternen kommen, denn so hatte es im Buch gestanden. Es war eine alte Weissagung oder Voraussage, die sich einfach erfüllen mußte.
Und so schaute er hinein in den dunkelblauen Himmel, auf dem die Sterne als Punkte zu sehen waren. In weiter Ferne, kaum meßbar, aber einen hellen Gruß schickend.
Ein wunderschönes Bild, das Kevin sehr gefiel. Er gehörte zu den Kindern, die ein Übermaß an Phantasie besaßen, die wiederum durch das Lesen noch mehr angestachelt wurde. Das Buch über die Sternen-Prinzessin war sehr alt. Es stammte noch aus den Anfängen des Jahrhunderts. Auf dem Deckel der Rückseite hatte er die verwaschen wirkende Schrift genau entziffern können. Die Worte hatten ihm gesagt, daß die Sternen-Prinzessin in dieser Nacht erscheinen würde.
Seine Mutter war noch nicht zu Bett gegangen. Immer wenn der Vater zur Nachtschicht ging, blieb sie lange auf. Zumeist schaute sie in die Glotze, strickte, bügelte und nähte dabei, hin und wieder las sie auch in einer Zeitschrift oder in einem Buch.
Im Vergleich zu seiner Mutter war Kevin ein regelrechter Bücherwurm. Er verschlang alles Lesbare, was ihm in die Finger fiel. Und er liebte das gedruckte Wort, dafür interessierte er sich weniger fürs Fernsehprogramm.
Der Wind wehte gegen das offene Fenster, wühlte in seinen Haaren und fuhr auch durch die Maschen der Jacke. Eine genaue Zeit wußte er nicht, nur sagte ihm sein Gefühl oder die innere Stimme, daß die Sternen-Prinzessin noch vor Mitternacht erscheinen würde.
Sehnsüchtig wartete er
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