0554 - Sie kam von den Sternen
sich forschend auf ihn gerichtet. Die Unbekannte auf der breiten Messerklinge schien zu überlegen, was sie mit ihm anstellen solle. Sie war aus der Tiefe des Weltalls gekommen, hatte ihren Weg zwischen den Sternen gefunden und sah trotzdem so aus wie ein Mensch. Das wollte nicht in seinen Kopf.
In einer hilflos anmutenden Geste hob er die Schultern. Dann fragte er leise: »Woher kommst du? Weshalb hast du mich gerettet? Du hättest mich auch umbringen können.«
»Nein!«
Dieses eine Wort reichte ihm aus, um über ihre Stimme nachdenken zu können. Sie sah nicht nur aus wie ein Mensch, sie redete auch in seiner Sprache, aber ihre Stimme besaß einen ungewöhnlichen Klang. Hallend und metallisch. So hatte Lidholm noch nie zuvor eine Person sprechen hören. Deshalb schüttelte er auch den Kopf. »Ich verstehe das nicht. Du bist aus der Ferne herbeigeflogen und…«
»Ich hasse das Unrecht!«
Abermals hatte er das Gefühl, die Worte wären in einer Halle gesprochen worden, so sehr echoten sie an ihm vorbei. Sie hatte von Unrecht gesprochen, da mußte er ehrlich zugeben, daß auch er zu den Menschen gehörte, die Unrecht auf sich geladen hatten. Lidholm schluckte, sein Lächeln fiel etwas verzerrt aus, er fragte auch nicht weiter und überließ ihr die Initiative.
Die Frau von den Sternen redete weiter. »Ich möchte nicht, daß Menschen sterben, wenn ich in der Nähe bin. Ich hasse es, daß einer den anderen umbringt. Wenn ich es eben vermeiden kann, stelle ich mich dagegen. Weißt du nun Bescheid?«
»Natürlich.«
»Sei froh, daß du gerettet worden bist. Es hätte auch anders kommen können.«
Lidholm nickte. Ihm lagen zahlreiche Fragen auf der Zunge, nur wußte er nicht, welche er zuerst stellen sollte. Bis ihm die Idee kam, sich nach dem Namen zu erkundigen.
»Ich heiße Consuela.«
»Noch nie gehört.«
»Vielleicht.«
»Und woher kommst du?«
»Von weit her. Aus einer anderen Dimension. Ich komme von den Sternen. Es sollte dir genügen.«
»Hä, hä…« Das Lachen des Mannes klang etwas dümmlich. »Von den Sternen also. Toll, wirklich, du kommst von den Sternen! Und das soll ich dir glauben?«
»Hast du mich nicht gesehen?«
»Schon. Ich sah in die Luft. Du bist wirklich zwischen den Sternen geflogen. Jedenfalls sah es so aus, und man hat auch auf dich geschossen, wie ich mitbekam. Die Kugeln haben dich getroffen. Du hättest tot sein müssen, aber du stehst vor mir und lebst. Wie ist das möglich?«
»Ich bin kein Mensch. In meiner Welt herrschen andere Gesetze. Aber ich kam, um bestimmte Menschen zu suchen.«
»Ach so – ja. Wen denn?«
»Du kennst sie nicht. Ich habe dein Leben gerettet, denke daran.«
James Lidholm nickte. »Ich werde es nicht vergessen. Wahrscheinlich willst du, daß ich etwas für dich tue. Nicht wahr?«
»Wenn es soweit ist, komme ich auf dich zurück. Zunächst aber werden wir uns trennen.«
»Und das Messer?«
»Es ist mein Flugboot. Ich merze damit das Böse aus.« Die dunklen Augen hatten einen hellen Glanz bekommen, als würde sich darin das Licht der Sterne widerspiegeln. Zwar wollte Lidholm noch weitere Fragen stellen, doch Consuela hatte etwas dagegen.
Wie ein Blitz startete sie. Lidholm duckte sich noch, weil er befürchtete, daß ihn die Messerspitze erwischen würde, aber er spürte nur den Luftzug, der ihm die Haare hochwirbelte, als die Frau über ihn hinwegglitt.
James Lidholm blieb stehen und drehte sich irgendwann um, damit er nach ihr schauen konnte.
Er sah die Frau auf dem Messer weit, sehr weit entfernt. Sie war bereits hineingestoßen in die Weite des Alls, wo die Sterne funkelten und sie aufnahmen.
Tief atmete er durch. Das Brennen in seinen Augen ließ langsam nach, auch der nervliche Druck verschwand. Kopfschüttelnd setzte er sich in Bewegung und blieb neben dem Haufen Blech stehen, der einmal ein Saab gewesen war. Erst jetzt kam ihm richtig zu Bewußtsein, daß er keinen Traum erlebt hatte.
Die anderen beiden waren tot, davon überzeugte er sich. Sie sahen schlimm aus, er jedoch lebte.
Dieses Bewußtsein explodierte regelrecht. Er riß den Mund weit auf und schrie seine Erleichterung in die Nacht hinaus. Niemand hörte ihn, nur seine Stimme hallte über den einsamen Steinbruch.
Wie weit es bis zum nächsten Haus war, wußte er nicht. Er wollte auch nicht irgendwo hinein, sondern sich ein Taxi suchen und nach Hause fahren. Aus dem Handschuhfach nahm er einige persönliche Dinge und steckte sie ein.
Als einsamer Wanderer schritt er
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