0554 - Sie kam von den Sternen
ungewöhnlich war.
Auch nun war eine Entfernung kaum zu schätzen, aber es würde nur mehr Sekunden dauern, dann war sie da.
Das Rattengesicht erkannte es zuerst. Er holte tief Luft, dann gab er einen fast heulenden Laut von sich, bis er in der Lage war, überhaupt einen Satz zu sagen.
»Verdammt, verdammt! Das ist, nein… das ist kein Surfbrett. Das ist ein Messer!« brüllte er. »Ein riesiges Me …«
Seine Stimme erstarb.
Die Männer hörten noch ein Brausen, und eine Sekunde später war das breite Messer bei ihnen…
***
»Du mußt jetzt schlafen Liebling.«
Kevin Long, elf Jahre jung, hatte seine Mutter nicht in das Zimmer treten hören. Erst als er angesprochen wurde, schreckte er hoch und ließ das Buch, in das er vertieft gewesen war, auf die Bettdecke sinken. »Hast du mich erschreckt, Mummy!«
»Das kann ich mir vorstellen.« Mrs. Long trat an das Bett ihres Sohnes. »Es ist wirklich schon spät. In zwei Stunden haben wir Mitternacht.« Sie setzte sich auf die Kante, strich mit der flachen Hand über die Bettdecke und streichelte danach Kevins Gesicht. »Meine Güte, Kind, du schwitzt ja. Was ist los?«
»Das Buch ist so toll.«
»So?« Sie lächelte. »Das freut mich. – Ich fand es auf dem Flohmarkt.«
»Ich weiß.«
»Was ist denn daran so toll?«
Kevin hielt das Buch hoch. Der feste Umschlag zeigte ein schon verblaßtes Bild. Man konnte auf dem dunklen Untergrund einen Sternenhimmel erkennen, der aussah wie eine runde Scheibe. Aus dem Himmel oder der Scheibe stieß eine Person hervor. Sie stand auf einem glänzenden Brett und trug ein weißes, langes Kleid. Sie flog durch den Himmel wie ein Engel, nur daß sie eben einen festen Halt unter den Füßen hatte. Ein märchenhaftes Cover, naiv gezeichnete Fantasy. Der Titel des Buches war nicht mehr zu erkennen.
»Wie heißt es denn, Kevin?«
»Weißt du das nicht?« staunte der braunhaarige Junge, auf dessen Gesicht sich Sommersprossen verteilten.
»Nein.«
»Aber du hast es mir doch gekauft.«
»Das schon. Mir hat das Bild so gut gefallen, deshalb habe ich das Buch nicht einmal aufgeschlagen, um nach dem Inhalt zu schauen. Ist das schlimm?«
»Bestimmt nicht.« Kevin rückte höher, damit er sich bequemer hinsetzen konnte. Das Kissen drückte jetzt in seinen Rücken. »Das Buch heißt«, er senkte die Stimme zu einem Flüstern und bekam große Augen, »Die Sternen-Prinzessin.«
»Oh!« staunte seine Mutter. »Den Titel finde ich toll. Handelt es denn von einer Prinzessin?«
»Ja, sie ist wunderschön und kommt von den Sternen auf die Erde, um die Menschen zu besuchen.«
Kevin hatte eine Gänsehaut bekommen, Beruhigend strich Mrs. Long über das Gesicht ihres Jungen. »Ein wunderschönes Märchen, da gebe ich dir recht, Liebling.«
»Nein, Mum, nein. Das ist kein Märchen.«
Mrs. Long zuckte zurück. »Kein Märchen?« Sie lächelte. »Was ist es dann?«
»Die Wahrheit, Mum.«
»Ach.« Linda Long hatte beschlossen, auf das Spiel ihres Sohnes einzugehen.
Kevin nickte heftig. »Es steht in dem Buch, daß die Sternen-Prinzessin ihren Platz im Himmel verlassen wird, um die Erde zu besuchen.«
»Lebt sie denn im Himmel?«
»Nicht direkt. Hier steht, daß die Sterne ihre Freunde sind, daß sie ihre Prinzessin ist.«
Linda Long hatte beschlossen, auf ihren Sohn einzugehen. »Wann wird sie erscheinen?«
»In der Nacht, Mum.«
Mrs. Long lächelte. »Es gibt viele Nächte, ich könnte mir vorstellen, daß du nicht allzu lange auf sie warten willst…«
»Mum, das brauche ich auch nicht. Ich weiß, daß sie in dieser Nacht erscheinen wird.« Der Junge deutete auf das Fenster. Dahinter lag tiefdunkel die Finsternis. »Wenn wir Mitternacht haben, vielleicht auch kurz davor oder danach, wirst du sie am Himmel sehen können. Dann schwebt sie zwischen den Sternen einher.«
»Das weißt du genau?«
»Es steht in diesem Buch.«
Mrs. Long beugte sich vor. Sie legte ihre Hände auf das Kissen und rahmte Kevins Kopf ein. »Weißt du, mein Schatz, Papier ist geduldig. Man kann viel darauf schreiben. Manchmal sind es Märchen, dann Berichte oder Kommentare, auch Romane. Schreiben kann man viel, mein Junge. Was du liest, ist ein Märchen, das hat der Autor erfunden. Es wird nicht eintreten, verstehst du das?«
»Ja – schon, aber ich glaube dir nicht. Ich weiß, daß ich sie sehen werde. Es gibt sie – wirklich.«
»Zwischen den Sternen leben keine Menschen!«
»Aber auf ihnen, Mum.«
»Vielleicht. Ich aber meine, daß man so etwas
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