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0557 - Gehetzt, gejagt, getötet

0557 - Gehetzt, gejagt, getötet

Titel: 0557 - Gehetzt, gejagt, getötet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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geliebt hast, wirst du mir auch den letzten Liebesdienst erweisen, mein Freund. Du wirst mir das Leben geben.«
    »Nie!«
    »Tatsächlich nicht? Du kannst nicht anders, Bill. In diesem Verlies herrsche ich. Meine Kräfte sind es, die zwischen den alten Mauern lauern. Ich habe dir doch davon berichtet, daß ich übermenschliche Kräfte besitze. Wenn du dich umdrehst, wirst du sehen, was ich meine. Los, dreh dich!«
    Bill gehorchte. Er ging dabei nicht zur Seite. Auf der Stelle blieb er stehen und konnte erkennen, daß etwas mit der Urne geschah. Der Deckel glitt in die Höhe, als hätten unsichtbare Finger an seinem kleinen Nippel gezogen.
    »Was soll das heißen?« fragte Bill.
    »Nimm die Urne.«
    »Und dann?«
    »Sage ich dir, was du tun mußt!«
    Wenn ich die Urne nehme, mache ich einen Fehler, dachte Bill.
    Dann hat sie gewonnen. Sie war trotz ihrer außergewöhnlichen Kräfte nicht in der Lage, die Urne zu bewegen.
    »Nein, ich gebe sie dir nicht. Wenn du sie haben willst, mußt du sie dir selbst holen!«
    Durch den grau wirkenden Körper der Blutsaugerin lief ein hektisches Zucken. Dicht unter der Haut bewegten sich die Adern. Auch die Hände zitterten. Ihre Spitzen verfärbten sich noch weiter. An einigen Stellen waren sie schon so dunkel wie Kohle geworden.
    Stand sie vor der Aufgabe oder vor dem Exodus?
    Bill freute sich darauf, dieses Wesen sterben zu sehen, doch sie tat ihm nicht den Gefallen. Statt dessen hörte er ihre Stimme.
    Sie klang sehr sanft, trotzdem befehlend. »Doch, Bill, du wirst. Du hast keine andere Möglichkeit. Hier vibriert die Kraft einer uralten Magie. Sie zittert zwischen den Wänden, du kannst sie nicht sehen, höchstens spüren. In diesem Schacht sind viele Gesetze aufgehoben worden. Was sonst hineinfällt, schwebt nun. Ich regiere hier, mein Wille geschieht. Deshalb wirst du mir zu Willen sein und dafür sorgen, daß beide Körper wieder zusammenkommen, um mein Leben zu garantieren.«
    Der Reporter hatte zugehört, nur kam er nicht dazu, dagegen zu sprechen. Sofort danach bekam er mit, was es heißt, inmitten einer fremden Kraft zu stehen.
    Obwohl er in der rechten Hand noch die Fackel trug, ging er auf die Urne zu.
    Er konnte nicht anders, sein eigener Wille war ausgeschaltet worden. Milena hatte die Kontrolle über ihn bekommen. Er sah noch ihr Gesicht, das relativ helle Oval, jedoch leicht angestaubt durch die grauen Zitterlinien, die über die Haut rannen. Der Mund wirkte wie ein Loch, in das die spitzen Vampirzähne von oben her hineinschauten.
    Und er ging weiter.
    Mit kurzen, roboterhaften Schritten ging er seinem Ziel, der Urne, entgegen.
    Er besaß den Kontakt mit dem Boden. Trotzdem war ihm, als würde er über dem Untergrund schweben. Alles andere wich zurück.
    Ein Schleier legte sich über die Mauern, verdichtete sich und ließ nur einen Flecken frei.
    Es war die Stelle, wo auch die Urne stand! Alles andere lag innerhalb der Schatten, die strahlenförmig nach außen hin wegwichen.
    »Die Urne, Bill… du mußt nur die Urne holen und sie mir überreichen, mehr nicht …«
    Er gab keine Antwort, innerlich jedoch stimmte er Milena zu. Vor dem Gefäß blieb er stehen und schaute hinein. Der Deckel lag eine Armlänge neben seinem rechten Fuß.
    Noch immer befand sich in dem Totengefäß die Mischung aus Staub und Blut. Bill schaute sehr genau hin, weil er unbedingt das Gesicht sehen wollte. In der Tat, es schimmerte noch durch, und es war identisch mit dem der Frau aus Stein.
    Durch die Nase saugte er die Luft ein, bevor er sich bückte und beide Hände um das vasenähnliche Gefäß legte. Er wunderte sich über die Wärme des Materials, wahrscheinlich war das Innere leicht aufgeheizt worden. Er sah auch die seichten Dampfwolken, die sich dicht über dem Gemisch aus Asche und Menschenblut drehten. Verschwommen erkannte er die Augen. Rollten sie nicht in der Masse?
    »Komm schon, komm, Bill. Es wird Zeit. Ich kann es nicht mehr so lange aushalten.«
    Er drehte sich um.
    Die Urne hielt er dabei fest, als wäre sie das kostbarste Stück auf der Welt.
    Milena erwartete ihn. Sein Blick fiel wieder in den Nebel hinein, der jedoch, seiner Blickrichtung gemäß, verschwand. Er schaute wie in einen Kanal hinein, an dessen Ende sich einzig und allein das Bild der Milena Mancow befand.
    Sie besaß längst nicht mehr die Kraft und Energie wie noch vor wenigen Minuten. Das Alter zeichnete das Gesicht. Falten waren entstanden; die Finger zitterten und hatten sich noch stärker verfärbt.

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