0557 - Gehetzt, gejagt, getötet
Sie wirkten derart kraftlos, als würden sie sich jeden Moment vom Saum des Umhangs lösen und stückweise zu Boden rieseln.
»Schnell, Bill, schnell! Der Austausch muß stattfinden.«
»Ja, natürlich. Aber was geschieht mit mir?« Bill hatte so etwas wie einen lichten Moment bekommen, dachte an sein eigenes Schicksal und hörte Milenas Lachen.
»Du, Bill? Du wirst dich schon opfern müssen. Du für mich, wir tauschen uns aus. Es kann nur einer von uns leben, nur einer…«
»Es ist gut. Du bekommst die Urne…«
Bill Conolly ging den zweitletzten Schritt!
***
Suko sah gerade noch rechtzeitig, wie Basil Kropec den Mund aufriß, um einen Warnschrei auszustoßen. Das hätte ihm gerade noch gefehlt. Sukos Handkante erwischte ihn wie ein Blitzstrahl. Kropec wußte nicht, wie ihm geschah. Er kippte, und Jane Collins fing ihn sicher auf. So leise wie möglich schleifte sie den Bewußtlosen in den Schatten der Wand, wo er liegenblieb.
Suko nickte ihr zu. Sie brauchten nicht mehr zu reden. Jeder wußte, was zu tun war, denn sie hatten bereits die Stimmen vernommen, die aus einem in der Nähe liegenden Schacht zu ihnen hochgeschallt waren.
Die letzten Yards legten sie auf Zehenspitzen zurück. Direkt neben dem Ziel gingen sie in die Knie und schauten über die Schachtöffnung hinweg.
Beide staunten, als sie Bill Conolly und Milena Mancow sahen.
Und sie bekamen mit, wie Milena dem Reporter die einzelnen Zusammenhänge erklärte. Da Bill sich nicht in Lebensgefahr befand, sahen sie auch keinen Grund, einzugreifen.
So wurden die beiden ebenfalls aufgeklärt und bemerkten auch, daß Bill nicht so wollte, wie Milena es sich vorgestellt hatte. Nur gab sie ihm nicht die Chance, denn sie übernahm die Kontrolle über Bills Willen und lenkte ihn wie ein Roboter.
Er wollte die Urne nehmen.
»Suko!« flüsterte Jane, »wir müssen etwas tun. Schieß oder mach irgendwas, aber warte nicht zu lange.«
Der Inspektor nickte. Er wollte die Beretta hervorholen, als ihn ein Geräusch ablenkte. Schritte näherten sich hinter ihm. Im Sitzen fuhr Suko herum, die Mündung der Waffe stach in den Stollen hinein und den Umrissen zweier Männer entgegen, die sich dem Ziel ebenfalls näherten.
»Willst du mich erschießen, Suko?« fragte ich leise.
»John, verdammt!« Er ließ die Beretta sinken.
Jane preßte ihre Hand gegen den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken. In ihren Augen aber leuchtete die Freude.
Ich näherte mich den beiden. In drei Sätzen gab mir Suko eine halbe Erklärung. Auch Grealy hörte zu, und wir mußten uns jetzt entscheiden, wie wir vorgehen wollten.
»Schießen?«
Ich hob die Schultern. »Keine Ahnung, Suko. Ich weiß nicht, ob es so einfach sein wird.«
»Der Schacht ist mit einer fremden Magie gefüllt«, sagte Jane leise und warnend.
»Eben.« Auch ich schaute hinein und sah Milena zum erstenmal.
Das genau war sie, so etwa hatte ich sie in Erinnerung. Nur war sie damals stets angezogen gewesen.
Sie selbst drehte den Kopf nicht, hatte nur Augen für Bill. Wir konnten uns noch etwas einfallen lassen.
»Es muß uns gelingen, die Magie zu zerstören!« wisperte ich.
»Wie willst du das machen?« fragte Suko.
»Damit.« Ich zeigte ihm das Kreuz. »Das werde ich in den Schacht werfen.«
»Nicht schlecht. Wie geht es weiter?«
»Hast du die goldene Pistole mitgebracht?«
»Sicher.«
»Dann wirf sie hinterher.«
Suko schaute mich an, als hätte ich etwas Schlimmes vorgeschlagen. »Mach schon, sonst ist Bill verloren. Der ist nicht mehr sein eigener Herr. Der macht sich…«
»Okay.«
Wir umsaßen den Schacht von verschiedenen Seiten und beugten uns jetzt gemeinsam vor. Ich maß die Entfernung noch einmal nach.
Bill und Milena trennte nicht mal eine Körperlänge. Bevor die Distanz weiter schrumpfte, warf ich das Kreuz.
Die Reaktion kam mir vor, als hätte eine Bombe eingeschlagen!
***
Es fiel von oben, es war nicht sehr schnell, aber es schaffte es tatsächlich, die starke Vampirmagie der Milena Mancow zu löschen, bevor Bill ihr die Urne überreichen konnte.
Er hörte den wilden, irren Schrei der Blutsaugerin und erlebte, daß sein Wille im selben Augenblick wieder vorhanden war. Der Reporter konnte wieder normal denken, handeln und fühlen.
Du mußt sie vernichten! Es war nur der eine Gedanke in ihm. In Windeseile liefen wieder die Ereignisse vor seinem geistigen Auge ab, die er erlebt hatte. Nicht mehr Milena führte das Kommando, sondern er und derjenige, der das Kreuz geworfen hatte,
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