0559 - Kapitän Sensenmann
Kollege. Wie gereinigt.«
»Glauben Sie etwa, daß Spuren verwischt sein könnten?«
Ich hob die Schultern. »Was ich glaube oder nicht, das spielt keine Rolle. Mein Kollege und ich werden uns selbst ein Bild machen. Und zwar bei Mrs. Bowman.«
»Sie wird Ihnen auch nicht mehr sagen können.«
»Wahrscheinlich. Trotzdem müssen wir jeder Spur nachgehen, auch wenn es doppelte Mühe ist.«
»Meinetwegen.«
»Sie wissen, was uns in der vergangenen Nacht widerfahren ist?« erkundigte sich Suko.
»Ich hörte davon.«
»Es war ein verdammter Überfall, und es hat Tote gegeben. Das hier ist kein Spuk mehr, Kollege, sondern der reinste Horror. Denken Sie daran, auch wenn es gewisse Tatsachen gibt, mit denen Sie sich aus verständlichen Gründen nicht so leicht abfinden können.«
»Ja, ich hörte von Ihnen beiden.« Die Antwort klang nicht spöttisch, eher nachdenklich. »Mich hat die Mutter der verschwundenen Gayle Bowman auf die Spur gebracht. Sie muß sie mal in London gesehen haben. Aber ob Sie hier mehr Glück haben werden als im Trubel Ihrer hektischen Großstadt, wage ich zu bezweifeln.«
»Wir werden es versuchen.«
»Von Mrs. Bowman bekommen Sie nichts mehr zu hören. Konzentrieren Sie sich lieber auf andere Dinge.«
»Danke für den Ratschlag«, sagte ich. »Aber wir haben unsere eigenen Methoden.«
»Ist gut.«
Wir verließen den Raum. Im Laden stand der Polizist und salutierte, als wir ihn passierten.
Ich sprach ihn an. »Machen Sie nicht so einen Wirbel. Kommen Sie von hier?«
»Ja, Sir.«
»Und was ist Ihre Meinung?«
Er bekam einen roten Kopf. Wahrscheinlich war er so etwas noch nie gefragt worden. »Nun ja, Sir, wenn ich ehrlich sein soll, muß ich sagen, daß mir gewisse Dinge aufgefallen sind.«
»Welche, zum Beispiel?«
»Ich glaube, daß Mrs. Bowman mehr weiß. Ich kenne sie schon länger. Sie hat sich eigentlich nie so verschlossen gezeigt. Vielleicht irre ich mich auch, und ihr Benehmen hängt mit dem Verschwinden der Tochter Gayle zusammen. Das ist ja auch nicht einfach.«
»Sie sagen es. Und vielen Dank.«
»Wofür, Sir?«
Ich lächelte, hob die Schultern und verließ nach Suko das Geschäft.
Die Zeit war fortgeschritten, der Mittag lag hinter uns, bald würde die Dämmerung einsetzen. Ende November kam die Nacht bereits sehr früh. Der Himmel hatte sich ebenfalls verändert. Er besaß nicht mehr seine Klarheit des Morgens. Lange Wolkenfahnen trieben unter dem blassen Grau. Das sah nach einem Wetterwechsel aus.
Vom Meer her stieg Dampf. Tatsächlich waren es die dünnen Nebelschwaden, die über die Halbinsel zogen.
Die Zuschauer hatten sich noch nicht verzogen. Männer, Frauen, Halbwüchsige schauten uns mißtrauisch an, als wir in den diamentschwarzen BMW stiegen, der zu Sukos liebstem Spielzeug geworden war. Es bereitete dem Inspektor stets Vergnügen, den Wagen zu starten und dabei den satten Sound zu hören. Dann huschte jedesmal ein Lächeln über seine Lippen.
Suko fuhr einen kleinen Bogen, um den Ausgang der Ortschaft zu erreichen.
Die Strecke führte auf die Klippen zu. Irgendwo zwischen ihnen und Appledore lag unser Ziel.
Das Haus der Mrs. Bowman!
***
An die vergangene Nacht konnte sich Harriet Bowman kaum noch erinnern. Sie wußte nur, daß die Stunden für sie schrecklich gewesen waren. Grauenhaft lang und prall gefüllt mit ihrer Angst, die sie einfach nicht hatte schlafen lassen.
Nach schier unendlich langen Stunden hatte es die Morgendämmerung geschafft, die Finsternis zu vertreiben. Dennoch war der Himmel für sie düster geblieben. Zudem kam sie sich vor wie ein gefangenes Tier, dessen Käfig keinen Ausgang besaß.
Man suchte Emily.
Zuerst ihr Mann. Der hatte sie noch am späten Abend besucht und war auf Harriets schauspielerische Leistungen reingefallen. Ihr war auch erklärt worden, daß die Polizei eingeschaltet werden müßte, und die war am Mittag zu ihr gekommen, hatte nicht nur Fragen gestellt, einige Beamte waren auch damit beschäftigt gewesen, vor und um das Haus herum und nach Spuren zu suchen. Sie fanden nichts.
Sie konnten auch nichts finden, denn Harriet hatte in weiser Voraussicht die Reifenspuren des Lieferwagens beseitigt. Bei einer genauen Untersuchung hätten die Männer etwas finden können, aber sie waren lasch vorgegangen und konnten sich kaum vorstellen, daß jemand freiwillig in Richtung Klippen gefahren war.
Für den Fiat hatte Harriet ebenfalls eine Erklärung gehabt. Man nahm sie ihr ab, schließlich wartete sie noch immer
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