056 - Der Banknotenfälscher
bei Gott nicht weiß, warum ich das hätte tun sollen. Ich wußte ja nicht einmal, daß diese Agentur existiert, noch viel weniger kannte ich ihre Telefonnummer ...«
»Was?« staunte Jane. »Bist du ganz sicher, daß du die Nummer nicht gewußt hast?«
»Ganz sicher sogar«, erwiderte er überrascht. »Ich habe doch noch nie mit der Presse zu tun gehabt. Warum fragst du?«
Sie schwieg eine Weile, so daß er nochmals fragte.
»Weil sich in Longford Manor überhaupt kein Telefonbuch befindet«, antwortete sie langsam. »Ich wollte bald nach unserer Ankunft eine Adresse nachschlagen, da sagte mir Anna, man habe das alte Verzeichnis weggeworfen, und ein neues sei noch nicht geliefert worden.«
Jane erwähnte nichts von dem Besuch des alten Rechtsanwaltes. Sie dämpfte ihre Stimme zum Flüsterton: »Peter, ich kann es kaum erwarten, dich morgen zu sehen. Ich muß vor allem wegen deines Tagebuchs mit dir sprechen.«
»Weswegen?«
»Wegen deines Tagebuchs.«
Nach einer kurzen Pause meinte er, sichtlich überrascht: »Aber ich führe doch gar kein Tagebuch!«
»Das hatte ich mir gedacht!« jubelte sie in den Apparat.
Kaum hatte Jane den Hörer aufgelegt, als das Telefon wieder läutete. Bevor sie sich noch melden konnte, hörte sie eine fremde, rauhe Stimme:
»Peter Clifton . . .? Bist du es, Peter Clifton? Du Mörder!«
Es war Mrs. Anderson.
Und dann ein Stimmengewirr, aus dem sie die Worte heraushörte: »Ich kenne dich, Blonberg! Ich weiß . . .« Jemand schien die verrückte Frau vom Apparat weggerissen zu haben.
Eine ruhige Stimme sagte: »Es tut mir leid, wenn Sie belästigt worden sind. Ich bin die Wärterin.«
Janes Mund war ganz trocken, und sie hatte Mühe, einige Worte hervorzubringen.
»Wo ist sie jetzt eigentlich?« fragte sie endlich.
»In Ihrem eigenen Haus in St. James Wood. Spreche ich mit Mrs. Clifton? Ja? Sie wollte schon den ganzen Abend aus dem Bett, um bei Ihnen anzurufen, aber erst in diesem Moment, als wir kurz aus dem Zimmer waren ...«
Die Wärterin erging sich noch länger in Erklärungen und Entschuldigungen, aber Jane war mit ihren Gedanken ganz woanders.
Blonberg war der Häuseragent, der Longford Manor verwaltete und der es auch an Peter vermietet hatte. Welche Rolle spielte dieser Mann in dem ganzen Drama? Das war ein neues Steinchen, für das sie einen Platz im Mosaik finden mußte.
13
Dieser Abend schien kein Ende finden zu wollen. Jane begann eine Patience zu legen, aber bald warf sie ungeduldig die Karten zusammen. Dann setzte sie sich an den Flügel, doch die Klänge, die sie ihm entlockte, steigerten noch ihre Nervosität. Um neun Uhr zog sie schließlich ihren Mantel an und befahl dem Butler, ein Taxi zu rufen.
Es war noch keine Woche vergangen, seit sie ihr Vaterhaus verlassen hatte, und doch kam ihr die Avenue Road bereits fremd vor; sogar das Haus, in dem sie ihre Jugend verbracht hatte, schien ihr nicht mehr vertraut. Ihr altes Dienstmädchen öffnete das Tor und blieb bei dem unerwarteten Anblick überrascht stehen.
»Gott sei Dank, daß Sie zurück sind, Miss!« flüsterte sie. »Wie gut, daß Sie das unheimliche Landhaus verlassen haben ...«
»Wo ist mein Vater?« fiel ihr Jane ins Wort. »In seinem Abeitszimmer, Miss - Verzeihung, Madam!« Jane ging ins Hinterhaus, wo sich das große Atelier befand, und klinkte die Tür auf. Nur eine Deckenlampe brannte. John Leith war nicht zu sehen. Offenbar war er in seinem Kabinett Sie wollte die Tür des Allerheiligsten öffnen - sie war versperrt.
»Wer ist da?« rief ihr Vater. »Ich bin's - Jane!«
Sie hörte ihn einen Ruf des Erstaunens ausstoßen und einen Stuhl zurückschieben, dann ging die Tür auf. Anscheinend hatte er an einer Landschaftsskizze gearbeitet, denn das Reißbrett mit der halbvollendeten Zeichnung stand schräg an die Wand gelehnt auf seinem Arbeitstisch.
»Was ist denn mit dir los?« fragte er kurz.
»Ich langweile mich«, antwortete sie mit einem Lächeln.
»Ach so! - Ist Peter nicht in die Stadt gekommen?«
»Er kommt erst morgen.«
In diesem Augenblick erkannte Jane, daß ihr Zusammenleben eigentlich immer etwas Gezwungenes an sich gehabt hatte. Schon heute morgen hatte sie das Gefühl gehabt, daß ihr Vater und sie einander fremd geworden seien. Jetzt, da sie darüber nachdachte, mußte sie sich sagen, daß sie sich eigentlich immer fremd gewesen waren. Sie hatte immer alles nach ihrem eigenen Kopf getan, und er hatte ihr in allem und jedem ihren Willen gelassen. Sogar die
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