056 - Der Banknotenfälscher
vielleicht auch Sie, Doktor.« Wells öffnete die Tür und ließ seinen Besucher in das Arbeitszimmer eintreten.
»Was möchten Sie trinken?« fragte er höflich, »Danke nichts«, sagte Bourke steif. Wells zuckte die Achseln und goß sich einen Whisky ein.
»Wen wollen Sie denn heute nacht schlachten? «
»Das weiß ich selbst noch nicht genau - ich kenne seinen Namen noch nicht, aber es ist nur noch eine Frage von Tagen, bis ich ihn in sicherem Gewahrsam habe. Ich telefonierte mit Sowlby, dem Anwalt, der mit dem Fall von Longford Manor zu tun hat. Sie wissen doch, daß der alte Rechtsanwalt ermordet worden ist, nicht wahr? Er ist heute abend um zehn Uhr in seinem Arbeitszimmer erschossen worden.«
Das Gesicht des Arztes verzog sich zu einem Ausdruck des Entsetzens.
»Radlow - ermordet? Großer Gott!«
»Habe ich gesagt: Radlow?«
Bourkes Stimme klang hart wie Stahl.
»Habe ich gesagt: Radlow?« wiederholte Bourke. »Ich habe doch von Sowlby gesprochen, nicht wahr? Der ist Rechtsanwalt und ein alter Mann. Wie kamen Sie darauf, daß ich von ihm plötzlich auf Radlow übergegangen sein könnte? Sie kennen ihn doch gar nicht.«
Donald Wells fand seine Kaltblütigkeit wieder.
»Doch, ich kannte ihn. Er war doch Peters Anwalt, nicht wahr? Peter hat in den letzten Tagen mehrmals von ihm gesprochen. Sonderbar, daß ich auf den Gedanken verfiel, Sie sprächen von Radlow, aber ich habe eben manchmal hellseherische Fähigkeiten.«
Bourke antwortete nicht sogleich; mit durchbohrendem Blick musterte er den Arzt. Nach einer Weile begann er langsam:
»Tatsächlich ist Radlow heute nacht von einem Unbekannten erschossen worden. Dieser Unbekannte ist von einem Nachbarn, der sich auf der Suche nach seinem Hund im Garten befand, zufällig gesehen worden, als er nach der Mordtat das Haus verließ.« Er sprach eintönig und ohne Gelegenheit zu einer Unterbrechung zu bieten. »Es kommt bei Mordfällen sehr oft vor, Doktor, daß selbst bei den raffiniertesten Plänen irgendeine geringfügige Kleinigkeit außer acht gelassen wird. Wer würde es zum Beispiel für möglich halten, daß in einer so abscheulichen Nacht wie der heutigen ein ehrsamer Bürger von Sydenham noch in seinem Garten nach seinem jungen Hund suchen und dabei allerlei Dinge zu sehen bekommen würde! Und doch war es der Fall. Der ehrsame Bürger hat den Mörder gesehen und mir beschreiben können, und ich bin deshalb hierher gekommen, um . . .«
Der Mann vor ihm war starr vor Angst.
»... um dafür zu sorgen, daß nicht etwa fälschliche Gerüchte von einem Besuch Peters in Sydenham auftauchen.«
Erst nach dieser unerwarteten Wendung vermochte Donald Wells seine Augen abzuwenden. Die Hand, die das Glas zum Munde führte, zitterte, aber in seiner schlagfertigen Art erfand er auch sogleich eine Erklärung für seine Aufregung.
»Radlow - großer Gott!« murmelte er, indem er den Inhalt seines Glases auf einen Zug leerte. »Welch eine furchtbare Geschichte!«
»Wo haben Sie sich eigentlich von Peter getrennt?«
»In Longford Manor«, sagte Wells. »Ich bin vor ihm losgefahren, aber er wollte auch bald darauf in die Stadt kommen. Er sprach davon, daß er eine Verabredung habe, und zwar, wenn ich mich nicht irre, gerade mit Radlow.«
Bourke nickte nachdenklich.
»Das war auch tatsächlich seine Absicht, er hat sie jedoch nicht ausgeführt. Ich war zufällig in Carlton Hause Terrace, als er aus Longford Manor kam. Er sah so angegriffen und elend aus, daß ich ihm vorgeschlagen habe, sich niederzulegen und mich an seiner Stelle mit Radlow sprechen zu lassen. Ich bin dann mit Mrs. Clifton nach Sydenham gefahren, aber sie war so besorgt um ihren Mann, daß sie gleich wieder mit einem Taxi nach Hause zurückkehrte und die Besprechung mit Radlow mir allein überließ.« Der Chef Inspektor schwieg einen Augenblick, als ob er die Szene noch einmal vor sich sähe, dann erklärte er: »Ich fand den alten Rechtsanwalt bereits tot auf - es war etwa eine halbe Stunde nach seiner Ermordung. Und ich war froh, daß ich statt Peters in Sydenham war, denn für ihn wäre es ausgesprochen unangenehm gewesen, wenn man ihn gegen zehn Uhr in der Nähe von Radlows Haus gesehen hatte.«
Wells antwortete nicht gleich; seine Blicke waren noch immer auf das Teppichmuster gerichtet. Nach einer Weile sah er auf:
»Und wer hat Ihrer Meinung nach Radlow ermordet?«
»Das wird verhältnismäßig leicht festzustellen sein, wenn wir erst die Pistole gefunden haben. Die Polizei wird morgen
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