056 - Satans Mörderuhr
suis le Marquis de Bergerac«, tönte es ihm in
einwandfreiem Französisch entgegen. Berghofen wurde blass, und ein Gefühl von
Furcht stieg in ihm auf. Doch dies war erst der Anfang einer unerklärlichen
Angst. Der Mann, der sich als de Bergerac vorgestellt hatte, wich nach der
Seite hin aus, griff nach einer im Wandständer steckenden Fackel, zündete sie
an und ging zwei Schritte zurück. »Sie suchen Ihren Freund, Monsieur, nicht
wahr ?« , fragte de Bergerac mit sanfter Stimme.
»Richtig. Wissen Sie, wo er ... ?« Er
brauchte nicht fortzufahren.
»Aber natürlich, Monsieur, weiß ich, wo er ist. Kommen Sie doch
mit !« De Bergerac kicherte, und eine Gänsehaut zog
über Berghofens Rücken. Bergerac wich Schritt für Schritt zurück. Drei Meter,
vier Meter, fünf Meter. In den Lichtkreis der Fackel kam eine geöffnete Tür.
»Ihr Freund ist hier, sehen Sie selbst !« In die Stimme des Marquis mischte sich der gellende, markerschütternde
Aufschrei Berghofens. Der Baron sah den gefesselten Unterkörper, der reglos in
einer Blutlache lag. Berghofen taumelte mehr nach vorn als er ging, um sich zu
vergewissern, ob das, was er vermutete, Wirklichkeit war. Er sah dem nackten
Grauen in die Augen. In der blutverschmierten Mörderuhr lag Sabortkis Kopf!
Das Blut quoll durch die Ritzen an den Seitenteilen und tropfte
zäh von der inzwischen nach oben gelifteten Schneide. Berghofen merkte, wie
sich ihm der Magen umdrehte, wie Wut, Zorn, Ratlosigkeit, Verwirrung und Angst
ihn peitschten.
In der ersten Gefühlsaufwallung wollte er sich auf den bleichen
Marquis stürzen, der kichernd, mit ein wenig gebeugtem Rücken, neben der Uhr
stand und sein Werk begutachtete. Doch ihm entging die Reaktion Berghofens
nicht. Blitzschnell streckte der Wahnsinnige die Rechte aus, in der er die
brennende Fackel hielt. Der Baron fühlte die Hitze, die ihn wie ein böser,
heißer Atem traf, seine Brauen versengte und die Spinnwebreste darin
zusammenschmoren ließ. Berghofen begriff spätestens in diesem Augenblick, dass
auch er sich in tödlicher Gefahr befand. Wenn es dem stärkeren Sabortki schon
nicht gelungen war, dieser Bestie zu entrinnen, dann würde es für ihn noch
schwieriger sein. Er durfte sich gar nicht erst auf eine Auseinandersetzung
einlassen.
Er wirbelte herum und griff nach der Klinke der nächsten
mannsbreiten Tür, die in die glatte Wand eingelassen war. Der Baron wusste,
dass er auf normalem Weg nicht mehr aus dem Haus kam. Die Falltür war
verschlossen. Vielleicht - er zuckte zusammen, und prallte zurück. Vor ihm
dehnte sich kein schmaler Gang aus, sondern eine kleine Kammer befand sich
hinter der Tür. Und in der Kammer stand eine weitere Mörderuhr, die dumpf
tickte. Die nächste Tür! Berghofen machte einen Alptraum durch. Er riss drei,
vier, fünf Türen auf. Hinter jeder fand er eine Uhr, deren bedrohlich
aussehendes Fallbeil wie poliert blinkte. Was er erlebte, konnte niemals
Wirklichkeit sein!
Berghofen stöhnte und taumelte weiter. Er gab es auf, die schmalen
Türen aufzureißen. Er stürzte in der Hoffnung davon, dass es aus diesem Verlies
doch noch einen anderen Ausweg gab. Die dumpfen Schritte de Bergeracs
verfolgten ihn.
Der Marquis hatte mit einer solchen Reaktion des Fremden nicht
gerechnet. Bergerac hatte erwartet, dass die Bilder diesen Mann so entsetzen
würden, dass er nicht mehr in der Lage wäre, sich zur Flucht zu entschließen.
Doch es kam alles ganz anders. Zielstrebig eilte der schwitzende Berghofen auf
das Ende des Folterkellers zu. Sein Verfolger schwenkte die Fackel, und in
deren Licht erkannte der Baron die breite, massive Holztür. Er warf sich
dagegen, drückte die Klinke und riss daran in der Hoffnung, die Tür würde
aufgehen. Aber nichts geschah. Der Riegel war vorgeschoben! Berghofen zerrte
ihn mit zitternden Fingern zurück. Der Marquis kam näher.
Der Deutsche warf einen Blick nach hinten und musste zu seinem
Erschrecken erkennen, dass der Irre einen Degen schwang, mit dem er sich auf
Berghofen stürzte. Der Deutsche riss die Tür auf. Schlechte, modrige Luft
schlug ihm entgegen. Ein dunkles Gewölbe lag vor ihm. Von Berghofen hatte weder
Zeit noch Gelegenheit, sich zu informieren, wohin dieser Tunnel führte. Er war
zum Handeln verurteilt. Wie von Sinnen rannte er in
die Finsternis, kam auf dem unebenen, mit Unrat bedeckten Weg ins Stolpern, und
schlug der Länge nach hin. Brennender Schmerz breitete sich in seinen Beinen
aus. Er hatte sich den rechten Fuß verstaucht.
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