056 - Satans Mörderuhr
sich jeden Augenblick in seine Eingeweide bohren. Sabortki brachte
es nicht fertig, die Augen zu schließen. Er hatte Angst. Dieses Mordinstrument
in den Händen eines Irren konnte ihm tatsächlich den Garaus machen. Hoffentlich
merkte der Baron bald, dass etwas nicht stimmte. Wäre die Situation nicht so
merkwürdig und undurchsichtig gewesen, sie hätte ihn zum Lachen gereizt. Wenn
er nochmal mit heiler Haut davonkam, dann musste er die Story seinen Freunden
in Frankfurt erzählen. Niemand würde ihm diese hanebüchene Geschichte abnehmen.
Was man auf der Suche nach einer legendären Uhr alles erleben konnte! Es war
unfassbar.
Der Marquis hob den Degen. Sabortki hoffte, dass er mit der Spitze
anfangen würde, die Fesseln zu lösen. »Nun entschließen Sie sich, Marquis!
Säbeln Sie mir die Wäscheleine vom Leib - und ich bin Ihr Mann! Sehen Sie mich
als Überläufer an !«
»Ich bin an Neuigkeiten interessiert, nicht an Mitwissern«,
lautete die lakonische Antwort. »Noch eine halbe Minute!« Der Degen kam
vollends in die Höhe. Was der Deutsche nicht sah, war, dass de Bergerac mit der
Spitze des Degens den Minutenzeiger anhielt, der sich der Zwölf bis auf
Bruchteile von Sekunden genähert hatte. »Ich schenke Ihnen dreißig Sekunden !« , sagte de Bergerac ernst.
»Vielen Dank für Ihre Güte!« Trotz der Unsicherheit und
Ungewissheit, die ihn erfüllte, war Sabortki noch immer bereit, das Ganze für
einen etwas rauen Scherz zu halten. »Ich habe gewusst, dass Herr Marquis das
Herz auf dem rechten Fleck haben .« Das Gespräch drehte
sich im Kreis. Sabortki hatte das Gefühl, dass der Mann vor ihm eigentlich
selbst nicht wusste, was er wollte. Dem Ganzen fehlte der rote Faden. De
Bergerac nahm die Waffe wieder weg, so dass der Minutenzeiger seinen Weg zur
vollen Stunde fortsetzen konnte ...
»Ich kann Ihnen leider meine weitere Aufmerksamkeit nicht gönnen«,
sagte de Bergerac mit glühender Gesichtshaut. »Ihr Begleiter befindet sich noch
auf freiem Fuß. Ich muss mich um ihn kümmern. Gute Reise auf dem Weg in die
Hölle, mein Lieber! Die Uhr ist ein Symbol für die verrinnende Zeit, für das
vergehende Leben !« Bergerac lächelte geheimnisvoll.
Sabortki wollte noch etwas sagen. Er öffnete den Mund. Der erste Buchstabe des
Wortes Aber wurde noch hörbar. Dann machte es zack ...
Es wurde schwarz vor den Augen des Deutschen. Das Fallbeil trennte
seinen Kopf vom Rumpf.
●
Baron von Berghofen kam vom ersten Stock zurück. Die Hoffnung, die
Uhr zu finden, hatte sich nicht erfüllt. Dennoch war er nicht enttäuscht.
Schließlich konnte man nicht verlangen, dass ein derart kostbares und seltenes
Stück frei herumstand. Vielleicht wusste auch Chevall, was für einen Wert die
Uhr darstellte, und versteckte sie möglicherweise. In der Parterrewohnung war
es völlig still.
Keine Spur von dem jungen Begleiter.
»Sabortki?« Berghofens Stimme hallte durch das Haus.
Keine Antwort, kein Geräusch. In der Nähe der Kellertür sah der
Baron einen schwachen, sich entfernenden Lichtschein. Offenbar suchte Sabortki
auch die Kellerräume ab. Das war keine schlechte Idee. Solange der Hausherr
nicht auftauchte, mussten sie die Freiheit nutzen, die dieses Haus bot. Sie
waren ohne Erlaubnis hier eingedrungen. Das war an sich nicht seine Absicht
gewesen. Doch die Umstände hatten es so ergeben. »Sabortki?« Berghofen
rief durch den düsteren Keller.
Das Licht entfernte sich und verschwand um eine Ecke. Der Baron
schnaufte wie ein Walross, als er sich jetzt etwas schneller bewegte. Sabortki
hätte ihn doch hören müssen! Der Deutsche durchquerte den Keller. Links und
rechts zu seinen Seiten türmten sich die mächtigen Eichenfässer in die Höhe.
Der Staub unter seinen Füßen wirbelte auf und reizte ihn zum Husten. Berghofen
erreichte das Ende des Weinkellers, blieb stehen und starrte nach links, wo ein
Durchlass in einen angrenzenden Raum führte. Von den Deckenbalken hingen
meterlange Spinnweben herunter, die auf seinem Gesicht kleben blieben. Von
Berghofen blies und wischte sie weg. Reste davon blieben an seinen Lidern und
Augenbrauen haften. Der schwache Lichtschein war jetzt kaum noch wahrnehmbar.
Unwillkürlich schüttelte Berghofen den Kopf. Die Dimensionen des Weinkellers
mussten größer sein, als er in der Düsternis erkennen konnte.
Um seinen Vorgänger nicht vollends zu verlieren, setzte sich der
Baron wieder in Bewegung und sah in der Tiefe des angrenzenden Kellers gerade
noch, wie das flackernde
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