0560 - Der Rattenmensch
Dolch an der rechten. Zwar nicht sehr bequem, aber ich würde mich daran gewöhnen.
Meinen Zellengenossen hatte ich noch nicht kennengelernt. Er war bei meiner Einlieferung im Arbeitseinsatz. Ich sollte am nächsten Tag damit auch anfangen.
Für uns war die Wäscherei vorgesehen. Besser als ein Job draußen beim Straßenbau, denn Regen und Schneeregen machten die Arbeit zu keinem Vergnügen.
Einige Wärter hatte ich schon kennengelernt. Besonders aufgefallen war mir ein Mann namens Hadek, den sie den Österreicher nannten, da sein Vater aus Wien stammte.
Hadek war der Typ Schleifer. Klein, gedrungen, aber ungemein muskulös. Dabei verschlagen und leicht sadistisch angehaucht. Auf meinem Weg in die Zelle hatte er mich mit Worten fertigzumachen versucht, denn er wußte, daß ich Deutsch verstand.
»Wir werden noch Spaß haben miteinander«, hatte er zum Abschied in seiner harten Aussprache erklärt. »Sehr viel Spaß sogar, das kann ich dir schwören. Ich mag nämlich keine Typen, die schmuggeln.«
»Und ich keine Gefängnisse.«
Er hatte gelacht und war verschwunden.
Ich hockte bereits über zwei Stunden auf der harten Pritsche und schaute gegen die gegenüberliegende Wand. Hin und wieder war auch Ungeziefer aus Spalten und Löchern gekrochen. Kleine Käfer, Spinnen oder anderes Getier, das sich in dieser Zelle außergewöhnlich wohl fühlte.
In der Nacht würden bestimmt auch Wanzen an der Decke erscheinen…
Bei dem Gedanken mußte ich mich schon kratzen.
Endlich hörte ich die harten Tritte, das Schlagen von Türen, herrisch klingende Stimmen – Geräusche, die wohl in jedem Zuchthaus der Welt gleich klangen.
Sie kamen von der Außenarbeit zurück, und ich würde bald meinen Zellenkumpan kennenlernen. Auf mich, den Mitgefangenen, war er vorbereitet worden. Das hatte mir der Zuchthausdirektor versichert.
Dennoch platzte ich fast vor Spannung. Wie würde sich dieser Mensch verhalten? Gewalttätig oder ruhig und darauf lauernd, endlich eine Chance zu bekommen?
Wenn er tatsächlich jemand war, der sich in ein Monster verwandeln konnte, mußte ich damit rechnen, daß er einen sehr ausgeprägten Instinkt besaß und mich als Feind abqualifizierte. Ich dachte an mein Kreuz. Zwar hing es verdeckt, doch dieser Talisman strahlte etwas aus, daß gewisse Menschen spürten.
Mit der Verständigung würde es nicht viele Probleme geben, denn auch Janos Torday sprach etwas Deutsch.
Die Geräusche der zuschlagenden Türen hatten sich verstärkt. Allmählich näherte sich der Pegel meiner Zelle. Dann bekam ich mit, wie die Nebentür aufgerissen wurde. Zwei Männer stolperten in die Zelle. Einer von ihnen schrie einen Satz, den ich nicht verstand. Der andere lachte lauthals. In sein Lachen fiel das Geräusch der zuschlagenden Tür.
Endlich war meine Zelle an der Reihe.
Riegel bewegten sich schnarrend. Schlüssel drehten sich. Mit einem Ruck zog einer der Wärter die Tür nach außen. Der Uniformierte stand hinter dem Gefangenen, der den Aufpasser dank seines breiten Körperbaus fast völlig verdeckte.
Ich blieb sitzen, er stand auf der Schwelle und schaute mich kalt an.
Janos Torday war ein großer, knochiger Mann mit fahlgrauen Haaren, die durch einen Mittelscheitel derart getrennt worden waren, daß sie gleichlang in zwei Hälften nach rechts und links fielen, wobei sie mit den Spitzen die Ohren erreichten.
Zu den Haaren paßte auch die bleichgraue Haut. So sahen wohl fast alle Gefängnisinsassen aus. Über den schmalen Lippen wuchs eine kräftige Nase. Auf den ausgeprägten Jochbogen der Wangenknochen liefen die buschigen Augenbrauen aus. Die Hände erinnerten mich an kleine Schaufeln. Seine Finger waren lang und kräftig.
Langsam betrat er die Zelle. Hinter ihm schmetterte der Wärter die Tür wieder zu.
Er nahm auf dem Bett Platz, ohne mich zu beachten. Als er saß, scharrte er mit den Sohlen der dicken Schuhe. Dann sprach er. Dabei bewegte er sogar seine Mundwinkel. »Du bist der Neue?«
»Ja.«
»Wie heißt du?«
»John!«
»Ich bin Janos.«
»Hört sich fast so an wie John.«
»Was?«
»Schon gut.« Ich winkte ab.
Er schwieg wieder. Obwohl auf den Fluren noch der Lärm von einer Wand zur anderen schallte, kamen wir uns in der Zelle vor, wie auf einer Insel sitzend.
Janos Torday bewegte seine Finger. Sie sahen aus wie lange, kräftige Stäbe. Als er die Hände zu Fäusten schloß, hatte ich das Gefühl, als wollte er eine Kehle zerdrücken. Ich räusperte mich.
Seine Augen waren mir wegen ihrer
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