0560 - Der Rattenmensch
der Pampe und verzog das Gesicht. Als ich meinen Platz auf dem Bett einnahm, sah ich, was er von dem Essen hielt. Er kippte die Schüssel und schleuderte die Pampe auf den Steinboden der Zelle. Dabei gab er noch einen ungarischen Fluch ab, der sich selbst in der fremden Sprache schlimm für mich anhörte.
»Weg!« fuhr er mich an und warf mit den Schüsseln.
Ich hatte meine neben mich gestellt. »Und jetzt?« fragte ich leise.
Er richtete sich auf. In seinen Augen lauerte die Tücke. »Du gibst mir deines.«
Mir schwante etwas. Trotzdem stellte ich mich dumm. »Und dann?«
»Frißt du das vom Boden!«
Das hatte ich mir gedacht. Er wollte es auf eine Machtprobe ankommen lassen. Okay, ich hätte es machen können, davon starb man nicht, aber ich wollte mich nicht derartig demütigen lassen, daß ich die Selbstachtung verlor.
»Nein!« erwiderte ich.
Darauf schien er gewartet zu haben. Abermals hob er seine knochigen Schultern. Mit dem Fuß trat er gegen die Schüssel. Sie prallte gegen die Wand. »Du wirst es fressen! Du wirst es!«
Er griff zu.
Ich war schneller und erwischte ihn mit einem Tritt, der sein rechtes Schienbein traf. Auch ich trug die schweren, steifen Gefängnisschuhe.
Janos heulte auf. Er fing an zu tanzen und hielt sich sein malträtiertes Schienbein. Ich dachte, daß er zunächst einmal genug hatte, stand auf – das war mein Fehler.
Plötzlich erwischte mich ein Schlag mit dem Arm. Ich sah nur noch Sterne. Die Zelle verwandelte sich in einen Kreis, der sich um die eigene Achse drehte.
Ich torkelte zurück. Das merkte ich nicht einmal. Erst als ich mit dem Rücken gegen die Tür prallte, kam ich wieder einigermaßen zu mir, ohne allerdings einen genauen Überblick zu bekommen. Mein Blickfeld wurde von einem gewaltigen Schatten eingenommen.
Es war Janos.
Wie Eisenpranken griffen seine Hände zu. Sie umklammerten meine Schultern, schleuderten mich herum. Dann spürte ich sie im Nacken, und im nächsten Augenblick bekam ich einen Tritt in die rechte Kniekehle. Ich sackte zusammen und fiel nach vorn.
Darauf hatte Janos nur gewartet. Hinter mir grunzte er. Wahrscheinlich sollte es ein Lachen sein. Er schaffte es auch, mich auf die Knie zu drücken.
»Du frißt es!« keuchte er. »Du wirst es vom Boden auflecken!« Er hatte mich im Griff wie eine Hündin ihr Neugeborenes. Wehren konnte ich mich kaum, der Druck seiner Pranke war zu stark. Ich näherte mich mit meinem Gesicht immer mehr der braunen Pampe auf dem Boden.
Den Mund hielt ich offen, keuchte und würgte in einem. Speichel floß hervor, tropfte in das Essen. Janos kicherte noch immer. Der Geruch des Essens strömte in meine Nase. Ich empfand ihn als widerlich. Dann sollte ich das Zeug noch essen?
Dagegen hatte ich einiges. So wie ich vorhin Janos unterschätzt hatte, so unterschätzte er mich, denn meine Hände hatte ich noch frei. Beide schlug ich zurück.
Mit der einen bekam ich Janos’ Daumen zu fassen, mit der anderen seinen kleinen Finger.
Es gibt da einige Tricks, durch die man sich aus gewissen Klammergriffen lösen kann. Dabei muß ich zugeben, daß diese Tricks nur im äußersten Notfall anzuwenden sind. Für mich bestand dieser Notfall. Wenn er mich fertigmachte, würde er es jeden Tag mit einer neuen, brutalen Schikane versuchen.
Auf einmal brüllte er auf.
Trotz seiner eisenharten Finger hatten ihm dieser Griff und diese Drehung wehgetan. Aus seinen Augen stürzten Tränen, diesmal stolperte er rückwärts in Richtung Tür, fiel mit der Schulter dagegen und jammerte dort weiter. Ich war bereit, mit der Handkante zuzuschlagen, doch den Hieb konnte ich mir sparen. Janos hatte keine Lust mehr, sich noch einmal mit mir auseinanderzusetzen. Aus blutunterlaufenen Augen stierte er mich an, bevor er sich auf sein Bett rollte.
Selbst in diesem Knast war das Schreien ungewöhnlich. Nach einer kurzen Pause beschwerten sich die Insassen der Nachbarzellen und hämmerten gegen die Wände, um so ihren Protest auszudrücken. Wärter erschienen nicht, was ich als positiv ansah. Ich wollte etwas gutmachen und wischte mit einem alten Lappen, der fürchterlich stank, den Boden sauber, wo zuvor das Essen gelegen hatte. Ich hatte es mit den Händen so gut wie möglich in die Schale zurückgeschaufelt und danach in der Toilette verschwinden lassen.
Janos hatte mir liegend und mit unbewegtem Gesicht dabei zugeschaut. Als ich fertig war, sagte er auch nichts. Vielleicht hatte ich bei ihm trotzdem einen Stein im Brett.
Er befühlte noch
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